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OceanWoman Band 2 (2022)

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Von der Schleiferin auf Curacao über die Küchenhilfe auf den Tuamotus bis zur Skipperin bei Sturm über Neukale­donien. Nach dem großen Erfolg der OceanWoman Sonderausgabe 2018 ist 2022 der zweite Band erschienen. Diesmal mit einem Best-of 2018–2022 der Berichte unserer OceanWoman-Kolumnistin Alexandra Schöler. Mit vielen neuen und unterhaltsamen Geschichten aus der Welt der Langfahrtsegler – abenteuerlich, erheiternd und auf bewegende Weise den Horizont erweiternd.

Marinatage – Es

Marinatage – Es herrscht so die gängige Meinung, auf dem Schiff lernt man sich erst richtig kennen. Das stimmt, finde ich, nur teilweise. Die Marina ist der wahre Garantietest für Beziehungen. Es gibt ja Leute, die sagen, die Enge auf dem Schiff, das Immer-Zusammensein, würde kaum einer aushalten. Fehler. Eine nüchterne Marina, auf Asphalt gebaut, hinter einer Erdölraffinerie mit Blick auf dreckiges Wasser, 35 Grad im Schatten und zwei Marinaklos plus zwei Duschen für 30 Schiffe sind die wahre Härte. Einen Schiffsrumpf bis auf die Holzplanken abzuziehen, ohne Küche an Bord zu leben wegen Renovierungsarbeiten, Moskitos, Epoxy staub, Schleifgeräusche. Da findet man heraus, ob der Partner wirklich der ist fürs Leben! So sollten die Partnervermittlungsagenturen arbeiten und dann ihre volle Garantie abgeben. Im kühlen Norditalien trugen wir bei den Vorbereitungen in der Marina noch Pullis und freuten uns auf eine abenteuerlich heiße Dusche. Allein der Gedanke daran brachte mich auf Curaçao in der holländischen Karibik zum Schwitzen. Wir hatten hier unser Schiff für die zweimonatige Hurrikan-Saison an Land gestellt und waren nun dabei, es für die nächste Saison vorzubereiten. Die gesamte Belegschaft in der Marina in diesen Tagen vor dem großen Aufbruch Richtung Panama sah aus wie eine Demo der Clouchard-Vereinigung in Paris. Ausgebeulteste Shorts, dreckige T-Shirts, die schlimme Gerüche absonderten, Kopfbedeckungen, die als perfekte Inspiration für so manch verrückten Modeschöpfer dienen könnten, und Schuhwerk, das die Bezeichnung als solches nicht verdiente. Es war uns wurscht. Es war mir wurscht, dass ich in den Minispiegel der Marinadusche blickte und die Frau darin nicht erkannte. Erst in Cartagena, Wochen später, in einer gut ausgeleuchteten Foto: Shutterstock 34 OCEAN WOMAN 2022

Hundetage Restaurant-Toilette, entdeckte ich, dass ich noch Farbe in den Haaren hatte und nicht schon weiße Haare bekam, wie mein Sohn mir klarmachen wollte. Besonders hart wurde es, als wir unser Unterwasserschiff bis auf die letzte Schicht abschleifen mussten – so hart, dass sogar der Marinachef Mitleid bekam und mitschliff. Einzige Ablenkung war eine Art Live-Hörspiel vom Nebenschiff eines Hamburger Pärchens. Er: „Nach unten drücken hab ich gesagt! Nach unten!“ Sie: „Mensch, dann mach den Sch… doch alleine.“ Er: „Ich kann es nicht alleine machen!“ Sie (schreiend): „Schrei’ mich nicht an!“ Er (schreiend): „Ich schrei’ dich nicht an!“ So ging es tagtäglich und ich fand mich und Peter ganz schön dezent verglichen zu den beiden. Natürlich verstand ich die beiden auch. Wobei – als die Frau sich in den klimatisierten Wagen setzte und schmollte, das fand ich dann doch etwas dick aufgetragen. SCHNELL, DIE NUTFRÄSE Was ich aber wirklich bei den Marinaarbeiten hasste, waren meine Tätigkeiten als Handlangerin. Ich gebe zu, ich bin kein Schiffsbauer und kann auch alleine kein Motorservice machen und so bin ich eben verdammt, Handlangerin zu sein. Was ich dann immer verfluche. Ständig huscht man zwischen Koje, Deck, Werkstatt, unter und auf dem Schiff umher und hat das Gefühl, nirgends rechtzeitig zu sein und nichts Wichtiges beizutragen. Der Allrounder. Beherrscht alles vom Abmontieren übers Abschleifen bis zum Aufbocken und Pinseln. „Ich brauch’ den Hammer!“, „Kommt schon!“, „Schleifpapier bitte!“, „Wo?“, „Unterm Schiff!“. „Bitte den Exzenterschleifer nach oben“, „Ok.!“. „Ich hab das Maßband irgendwo da unten“. „Klaro“. „Schnell die Nutfräse!“. „Die was?“ „In der Werkstatt links.“ Der Elektriker. In tropischer Hitze werden endlose Strecken Kabel geprüft und nicht selten erneuert. Natürlich, Peter leistete Unglaubliches, immerhin war er verantwortlich, dass Risho für Pazifik und Neuseeland topfit war. Doch in diesem Augenblick dachte ich nicht an seine Belastungen, sondern nur daran, wie ich da durchkommen würde und dass ich sicher nie, nie, Der Anfang: Das Schiff wird an Land gezogen. Danach beginnt das Unheil. Ist der Mechaniker im engen Maschinenraum dem Wahnsinn nahe, wird das in der ganzen Marina zu hören sein. OCEAN WOMAN 2022 35

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