24 Mein Mann, der Fischer Das fiel mir als erstes auf: Es war das Flackern in den Augen eines Jägers! Es sagte: Ich ernähre meine Familie! Mit meinen eigenen Händen! Ich sorge, dass etwas über dem Feuer brät und alle satt werden. Männer sind eben Jäger. Und manchmal auch Fischer. 24 OCEAN WOMAN 2022
Erstmals fiel „es“ mir auf, als wir von Gibraltar nach Lanzarote segelten. Wir waren vier Tage auf See. Das war damals für uns wirklich lange – zu Beginn unserer Weltumsegelung! Mein Mann Peter hatte seine diversen Schleppangelsysteme quer durchs Mittelmeer gezogen, ohne Erfolg. Er wirkte deswegen nicht weiter deprimiert. Schuld war die Fischlosigkeit des Mittelmeers. Ich stimmte ihm zu, nachdem ich die superteuren Minifische in diversen kroatischen Konobas gesehen hatte. Wer weiß, woher die stammten? Nordsee? PLÖTZLICH EIN SCHREI Und da waren wir nun im großen Atlantik. Mit Spinnaker gemütlich aus Tarifa rausgesegelt, weder Monsterwellen noch Mörderströmungen in der verrufenen Straße von Gibraltar waren uns in die Quere gekommen. Herrlich, eine Stunde lang – dann drehte der Wind und die nächsten 24 Stunden wusste ich, was der alte Odysseus mit Seemonstern und Skyllen gemeint, dass er ein Ende der Scheibe genau hier befürchtet hatte und deswegen nie hinausgesegelt war. Wie auch immer – irgendwann am nächsten Morgen, nach einer stürmisch durchwachten Nacht, beruhigten sich die Seeungeheuer. Ich war in einen traumlosen Erschöpfungsschlaf gefallen. Und erwachte von einem Schrei. Panisch stürzte ich aus der Koje an Deck, Schreckensvisionen a la „Peter über Bord“ oder „Mast gebrochen“ flackerten kurz auf – aber da sah ich ihn. Der Skipper stand am Heck des Schiffes, die durchgebogene Schlepp angel in der Hand. Irgendetwas schien angebissen zu haben. Etwas großes. Etwas sehr großes. Mit verbissenem Gesicht kurbelte Peter an der Angel und schrie in kurzen Abständen: Fisch! Fisch! Ich hab einen Fisch! Ich und der inzwischen aufgewachte Finn beobachteten eine Szene, die bald völlig normal sein würde, aber gerade in diesem Augenblick eine Premiere der besonderen Art war. Nach endlosen Minuten sahen wir einen Schatten am Ende der Angelleine im Wasser. „Gleich hab ich dich“, keuchte mein Ehemann. Ich weiß nicht, wie er dieses Ding an Bord kriegen wollte, aber er schien absolut darauf versessen. Und endlich, landete die riesige Dorade mit einem lauten Klatsch auf unserem Deck. Locker ein Meter. Fast so groß wie der sechsjährige Finn damals. Ich hatte noch nie einen so großen Fisch so nah gesehen. Und er kämpfte. Peter auch. Beide kämpften. Und Peter – damals noch Fischer-Greenhorn – langte nach der Winschkurbel, und ... naja, die Details erspar’ ich Ihnen. Es war blutrünstig. Als die Golddorade schließlich in die ewigen Fischgründe eingegangen war, hob der blutbespritzte Peter sie (oder das was von ihr übrig geblieben war) auf und blickte uns stolz an. Und da fiel „es“ mir auf: Das Flackern in den Augen eines Jägers! Ich ernähre meine Familie! Mit meinen eigenen Händen! Ich sorge, dass etwas über dem Feuer brät und alle satt werden. So sollte es bleiben. Peter tüftelte seine speziellen Angelkonstruktionen, Ködervorrichtungen, Hakenvariationen in den nächsten Jahren aus. 250 Meter Angelleine mit einem Meter Stahlvorfach, kein Anglergeschäft war mehr vor ihm sicher, jedes Gespräch mit Seglerfreunden ließ dieses Thema aufkommen. Rosa Oktopus für Doraden, rot-orange für kleine Thunfische, grün für den Wahoo. Interessanterweise wich die sündteure Hochseeangelspule einem simplen Plastikreifen aus der Karibik, bei dem die Leine nur händisch aufgewickelt wurde. Dies kombinierte Peter mit einem Gummizug, an dem eine leere Coladose befestigt war – diese Kons truktion weckte sogar den müdesten Nachtwachenschieber, wenn ein Fisch biss. Gerade bekomme ich noch einen fachlichen Hinweis aus dem Hintergrund: Der Gummizug bewirkt auch, dass der Köder wie ein echter Squid durch die Wellen tanzt! Und immer wieder dieses Flackern in den Augen des Jägers. Manchmal, da konnte Peter kaum aufhören – zum Beispiel im Roten Meer in Eri - trea, so unberührt und deswegen wohl fischreich, dass man eine Ahnung davon bekam, wie es mal im Mittelmeer war – vor sehr langer Zeit. Thunfisch war ein Normalfang. Irgendwann hatte ich ihn kurz angebraten mit Wasabi und Soja satt und panierte die Steaks! Fast wie Backhendl! Aber nichts ging über eine Golddorade. Götterspeise. So etwas Gutes Peter tüftelte seine speziellen Angel - konstruk tionen, Köder - vorrichtungen, Hakenvariationen in all den Jahren auf See aus. OCEAN WOMAN 2022 25
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