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OceanWoman Band 1 (2018)

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Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-Konzert am Strand von Tonga. Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als OceanWoman-Kolumnistin mit an Bord der Redaktion und unterhält unsere LeserInnen mit launigen Beträgen, viel Witz und dem feinen Gespür einer Frau über die Welt der Langfahrtsegler. Eine Top-Auswahl ihrer Geschichten von 2010 bis 2018 wurde nun in dieser Sonderausgabe aufgelegt – zur erlesenen Unterhaltung erfahrener SkiperInnen, aber auch zum lockeren Einstieg angehender BlauwasserseglerInnen!

FOTO: SHUTTERSTOCK I’m

FOTO: SHUTTERSTOCK I’m sailing in the rain AUSGABE 1/2015 . Dass ich in diesem Sommer in Kroatien meinen Opposum- Fleecepullover aus den Tiefen unseres Segelbootes kramen würde, war nicht vorauszusehen. Gut, dass ich ihn trotz bester Vorsätze in meiner Putz-Kolumne vom letzten Mal nicht ausgemistet habe! 42 OCEAN WOMAN 2018

Auch hatte ich schon lange nicht mehr unter meinem blitzblauen Südwester hervorgeblinzelt. Kleine Schiffskunde so nebenbei: Südwester sind wasserdichte Hüte mit einer breiten Krempe, die hinten weit überhängt, damit Regenwasser nicht in die Kleidung laufen kann. Die Benennung nach der Himmelsrichtung, aus der der meiste Regen kommt, kommt vielleicht ebenso wie der Hut selbst aus dem Norwegischen. Ich hatte das gute Stück zuletzt in Neuseeland aufgesetzt – lange her, wie sich auch am Geruch und Zerknitterungsgrad ablesen ließ. Und weil wir gerade dabei sind: Ölzeug (engl. Oilskin) bezeichnet wetterfeste Oberbekleidung in der Seefahrt, die den Träger vor Nässe und Wind schützen soll. Ja, soll! Wie undicht mein uraltes Ölzeug war, war mir auf den letzten Kroatientörns nie aufgefallen. Wahrscheinlich, weil ich es nicht brauchte. Ahh! Kroatien: Das Segelparadies im Mittelmeer, voller Naturschönheiten und spannenden Urlaubs-Möglichkeiten. Nicht einmal zuviel versprochen, denn schön ist es dort allemal und spannend konnte man es an Land, Wasser, Campingplatz in diesen Sommer wirklich haben. Und ich meine jetzt nicht den Motorschaden, den wir in der zwölfstündigen Totalflaute mitten in der Kvarner Bucht hatten! Unsere Regenplane versagte uns den Dienst, just als es wie aus Kübeln schüttete. Erinnerungen an den Monsoonregen damals in Indonesien stiegen hoch wie das Wasser in unserem Mittelcockpit. In Indonesien waren wir selig am Vordeck gestanden und hatten uns die Haare gewaschen und sämtliche Flaschen und Wannen mit dem kostbaren Süßwasser gefüllt. All das war so unendlich erfrischend nach den heißen, windlosen Tagen auf See. Nun standen wir pitschnass unter Deck, fröstelten und trockneten uns die Haupthaare mit den seit Tagen feuchten Handtüchern. Durch die Luken sahen wir verschwommen, was Mali Lošinj im November sein könnte: leere Strände, leere Bojenfelder, ins Leere blickende Chartersegler. Die Chartercrew neben uns beschloss in einer Regenpause mutig einen Ausflug an Land zu wagen. Sie trugen Badehosen kombiniert mit um die Schultern geknoteten Badetüchern, auf dem Kopf hatte jeder einen kleinen Müllsack. Die Erfindung von Müllsäcken wird auf die Kanadier Harry Wasylyk, Larry Hansen und Frank Plomp zurückgeführt, die den Müllsack in den 1950er Jahren erfunden haben sollen. Ob die Herren Segler waren? Später, als wir übersetzten, um wenigstens gut essen zu gehen, trafen wir die Truppe bei der zweiten Nachspeise. „Frustessen“ sagt der Salzburger Skipper. Seine Frau murrte: „Am Attersee hat’s 25 Grad!“ Wobei, das dürfte auch nicht angehalten haben, Freunde flüchteten aus dem sieben Grad kalten Salzkammergut nach Grado, um sich dort aufzuwärmen. 15 Grad plus und leider hatten sie die warmen Sweater nicht dabei. Dieser Regen! Wir landeten in der Veruda Soline Bucht und mein Bruder filmte uns beim Ankommen von Land aus. Es sieht aus, als würden wir gerade Neufundland im Sturm ansteuern … UND DANN KAM DIE BORA Würde sich gut bei einem Diavortrag machen und da fallen mir gleich die Naturschönheiten Kroatiens ein. In den wenigen Sonnenstunden strahlte die kroatische Inselwelt in einem saftigen Grün, wie ich es seit der letzen Schwammerlsuche in der Steiermark nicht mehr gesehen hatte. Die Tomaten in den kleinen Gärten der Blumeninsel Illovik zeigten sich in Höchstform und auf Olib spazierten wir über grüne Wiesen. Nach dem allabendlichen Gewitter froren wir kurz im Cockpit und verzichteten dann doch aufs Kartenspielen. Der Wind war einfach zu kalt und ich hatte vergessen, Tee einzulagern. Und dann der erste traumhaft schöne Tag! Sonne schon am Morgen, wir segelten ums Eck und – kein Wind! Aber was soll’s! Wir sahen den blauen Himmel weit gespannt ohne kleinste Anzeichen irgendwelcher Schlechtwetterfronten. Das Schicksal wendete sich also doch, dachte ich freudig und wollte mich gerade ausnahmsweise mal in die Sonne legen! Ein Knall und unser Dieseloutborder beschloss, nach 25 Jahren erstmals zu streiken. So hingen wir in der Flaute und ich versuchte nicht zu verzagen: Hey! Wenn uns das damals in Indonesien passiert wäre, weit und breit so ziemlich gar nix! War doch viel besser hier! Eine Motoryacht nach der anderen zog an uns vorbei, Segelboote Erinnerungen an den Monsoonregen damals in Indonesien stiegen hoch wie das Wasser in unserem Mittelcockpit. schaukelten wie wild im Schwell derselben. Wir standen. Bis es dunkel wurde. Und dann kam die Bora. Und mein Südwester und das undichte Ölzeug. Und wir segelten wie damals nach Neuseeland sehr flott bei schlechtem Wetter drauf los, Richtung Italien, bis in die Marina. Im Zickzack durch die Lagune, den Fluss Stella hinauf. Irgendwie war es schön und das Beste war: Ich hatte in einer vagen Vorausahnung ein großes Glas Nutella eingepackt. Für die Nachtfahrt. Mit meinen Sommersöckchen in den Schlechtwetter-Gummistiefeln. Links Wetterleuchten, rechts die leuchtende kroatische Küste, vor uns leuchtende Fischerboote. Und auf einmal war es wieder da. Das Abenteuer. Und wenn ich nicht hätte steuern müssen, hätte ich doch glatt vor Aufregung einen kleinen Stepptanz an Deck hingelegt. I am sailing in the rain ... OCEAN WOMAN 2018 43

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