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OceanWoman Band 1 (2018)

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Von Adria-Skippern im Adamskostüm bis zum Bach-Konzert am Strand von Tonga. Autorin Alexandra Schöler segelte mit Mann Peter und Sohn Finn viereinhalb Jahre um die Welt. Seit 2010 ist sie als OceanWoman-Kolumnistin mit an Bord der Redaktion und unterhält unsere LeserInnen mit launigen Beträgen, viel Witz und dem feinen Gespür einer Frau über die Welt der Langfahrtsegler. Eine Top-Auswahl ihrer Geschichten von 2010 bis 2018 wurde nun in dieser Sonderausgabe aufgelegt – zur erlesenen Unterhaltung erfahrener SkiperInnen, aber auch zum lockeren Einstieg angehender BlauwasserseglerInnen!

Was ist mit der

Was ist mit der Segelmode los? XX XX AUSGABE 9-10/2010 Warum ist Surfmode nur so viel cooler? Das Ganze begann, als Peter, mein Ehemann und Kapitän, zur Panerai Classic Yachts Challenges nach Cannes flog. Er stand vor mir mit besorgtem Blick, die Stirn gerunzelt und ich wartete darauf, dass er sagen würde: „Meine Güte, wir waren die letzen sechs Jahre jeden Tag und jede Nacht zusammen und jetzt fliege ich zwei Tage weg – wie werden wir das schaffen?“ Sagte er aber nicht. Über die Lippen des Mannes, mit dem ich die Welt umsegelt habe, kam: „Ich kann nicht nach Cannes fliegen – nicht mit meinen alten Segelschuhen.“ NOTHING CHANGED Da waren wir also. Die Garderobe der Segler. Ich beruhigte ihn und meinte, er solle sich doch einfach neue Segelschuhe kaufen, die gäbe es doch sowieso zuhauf. Das schien ihm sehr unangenehm. „Aber die jetzigen haben endlich aufgehört weh zu tun. Nach zwei Jahren.“ Das war nun schwierig. Ich fragte mich zum wiederholten Male in den letzen Jahren: Was ist mit der Segelmode los? Meines Erachtens nach nämlich nichts. Gar nichts. Als wir nach viereinhalb Jahren auf den Ozeanen heimkehrten und auf einer Bootmesse umherschweiften, rettete ich mich wieder mal zu den Bekleidungs- FOTO: MARINEPOOL 12

ständen und musste mit Schrecken erkennen: Nothing changed. Die gleichen marineblau-weißen Sweater, V-Ausschnitt, Segelstrick- Pullis, Einheitsfigur-Sporthosen, einige in sanften Blautönen abweichende Polo-T-Shirts – für Frauen etwas kleiner geschnitten. Natürlich die multifunktionalen Schwerwetterwesten, ideal für die kalte, stürmische Sommersegelei in der Adria. Besonders anziehend: weiße Stretchhose. Jeder, der nur zwei Tage auf einem Schiff verbracht hat, weiß, dass weiß an Bord keine gute Idee ist. Beliebt auch die atmungsaktive Damen-Überhose oder die gemütliche Bordhose – beständig gegen jeden Verschleiß. Auch beständig gegen jede Art von Figur – die passt wirklich keinem. Aber wenigstens wasserabweisend. Ich habe auf unserer gesamten Reise keine Segler gesehen, die so angezogen waren. Die einzigen, die Segelmode tragen, sind die Models in den Segelmode-Katalogen. Wobei ich hier wiederum das dumpfe Gefühl habe, Farben der Südsee – Noumea. Alexandra und Finn in Crocs: „Können nass werden, halten ewig.“ dass diese immer strahlenden, schön frisierten Menschen gerade zum ersten Mal auf einem Segelboot stehen, das wiederum in einer Ma rina steht. Um meinen verzagten Mann etwas zu unterstützen, langte ich nach dem druckfrisch eingetroffenen Segelmoden-Katalog und begann darin zu blättern. Ich entdeckte eine winddichte Wendeweste, die von einem jungen Herrn getragen wurde, der offensichtlich gerade einer Wiener Tanzschule entkommen war. Sauber gebügeltes kariertes Hemd, darüber fescher Pullunder und eben die besagte Wendeweste. Seine Schuhe konnte ich auf dem Bild nicht erkennen. Ich fand dann aber welche auf der nächsten Seite, getragen von einem solariumgebräunten Jungvater, der seine kleine Tochter am Strand spazieren führte. Sie ohne Schuhe (aber mit weißer Hose), er mit Schuhen, die im Sand versanken und wahrscheinlich schon damit gefüllt waren. Ich stellte mir vor, dass er auf sein in der Marina geankertes Segelboot ging und die Segelschuhe im Cockpit auszog. Sand auf dem Schiff. Jaaa! Eines der liebsten Dinge meines Kapitäns. Eine Seite weiter saß die Dame des Katalogs, schön geschminkt, Haare perfekt gelegt, zwei weißbehoste Waden unbequem über eine Klappe gelegt. Besonders berührte mich das Pärchen, das in aufeinander abgestimmten schwarzen Thermal Base- Unterhosen an Deck lag, nur das Vorstag drängte sich zwischen die Turteltäubchen. Im gesamten Katalog fiel mir auf, dass die Herren prinzipiell am Steuer standen und mit strahlendem, aber doch entschlossenem, mutigem Blick zu den nicht gesetzten Segeln starrten. „Hast du Schuhe gesehen?“, fragte mein Kapitän. So weit war ich noch gar nicht. Ich schlug ihm vor, doch Gummistiefel anzuziehen mit dicken Socken, die hatten sich im Sturm nach Neuseeland auch bewährt, wenn auch die Geruchsentwicklung grausam gewesen war. Aber dazu braucht man bei Bootschuhen keinen Sturm. Ein bisschen Salzwasser genügt und sie stinken für ewig. Und sind hart und schmerzhaft. Da lobe ich mir das Schuhwerk, das wir nahtlos viereinhalb Jahre um die Welt trugen: Crocs. Stinken nicht, halten warm, können nass werden. Übrigens von einem Surfer entworfen. So wie die gesamte Mode der Crew der Risho Maru eine auffallende Tendenz Richtung Surfmode hatte. Warum ist Surfmode so viel cooler als Segelmode? Und soviel praktischer? Und so viel funktioneller. Unser Ölzeug war von der Marke, die auch Rapper sofort adaptierten. Und die so auch eine enorme Umsatzsteigerung erfuhr. WO GIBT‘S EINEN SEGELMODE- KATALOG FÜR ECHTE SEGLER? Ich denke, es liegt daran, dass Segeln noch immer mit Worten wie elegant, korrekt, dezent, ernsthaft, alt und langweilig verkauft wird. Und wen wundert es da, dass die Segelclubs so wenig Nachwuchs haben? Ich wäre absolut für einen Segel - modekatalog mit richtigen Seglern. Da würde es dann Sturmfrisuren regnen und ausgebleichte Lieblings-T-Shirts, bunte Surfer-Shorts, Surferbrillen, übergroße Hoodies, Sarongs, Strohhüte und Flip-Flops zu kaufen geben. Am Ankerplatz würde keines der Nicht-Models am Steuer stehen, sondern in der Kombüse Spaghetti machen. Und beim Segeln würde einer den Autopiloten bewachen und dabei Erdnüsse essen, der andere ein Buch lesen. Und wenn’s ordentlich stürmt, würde eh keiner mehr Fotos machen und so würde dem geehrten Leser für immer verwehrt sein zu wissen, was echte Segler bei Sturmfahrt tragen. Das gleiche übrigens wie echte Rapper. „Und gibt es irgendwelche guten Seglerschuhe für mich?” Nein, mein Schatz, aber schau doch einmal auf YouTube, welche Schuhe der Herr 50 Cent trägt. Nachtrag: Mein Kapitän segelte dann doch mit den alten Segel schuhen und – Ausnahmen bestätigen die Regel – mit seiner sehr schicken -Softshell- Jacke, die passt nämlich auch für Cannes! OCEAN WOMAN 2018 13

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