Wissen und Meer Keine Angst vorm Einhand-Segeln! Ich bin vor kurzem von London nach Belgien gesegelt. Also die Themse runter bis Dover, über den englischen Kanal rüber nach Calais und die Küste entlang über Dünkirchen Nieuwpoort. Ein Törn, den ich nur empfehlen kann: Du hast nautische Herausforderungen wie Gezeiten, Verkehrstrennung und eine der dichtbefahrensten Wasserstraßen der Welt. Und die Abfahrt von St. Katharine Docks unmittelbar neben der Tower Bridge, das hat schon was. Wir waren zu dritt, ich als Skipper und zwei Crewmitglieder. Da macht man sich schon so seine Gedanken: Was ist, wenn die Crew krankheitshalber ausfällt, sei es durch Seekrankheit oder unfallbedingt? Kann ich die Sun Odyssey 449 alleine fahren? Wie muss ich mich auf diesen Worstcase vorbereiten? Bei der Schiffsübernahme registriere ich wichtige Komponenten und damit war ich einigermaßen beruhigt, ich sah mich gut gerüstet für einen allfälligen single-handed Törn. Es waren Strecktaue angeschlagen – die p.t. Leserschaft kennt es ja: „Eine Hand fürs Leben, eine Hand fürs Boot“. Wenn man alleine das Schiff segeln will, muss der Strecktau an Bord einer Segel yacht (rot), an dem eine Sicherheitsleine (blau) eingepickt ist. FOTO: MIERLO/WIKIPEDIA Weg nach vorne zum Bug möglich sein, und zwar ohne Lebensgefahr. Wenn man über Bord geht und die Crew bemerkt das nicht, bedeutet das den sicheren Tod. Zudem war die Yacht mit Rollgenua und Rollgroß ausgestattet. Das erleichtert das Segelsetzen, -reffen und -bergen ungemein, man kann alles in den meisten Fällen alleine vom Cockpit aus bewerkstelligen. Weiters war ein funktionierender Autopilot eingebaut. Ich verwende diese Geräte auf meinen Törns ausgesprochen selten – ich möchte ja segeln. Aber im Fall der Fälle ist eine Selbststeueranlage unverzichtbar. Das Boot ist steuerbar, damit kann ich für kurze Zeit unter Deck gehen, etwas vorbereiten, arbeiten, Essen zubereiten, die Crew versorgen u. v. m. Als zusätzliches Feature hatten wir ein Bugstrahlruder. Damit wird die Vorschiffscrew bei Hafenmanöver einigermaßen ersetzt, wenn der Wind das Boot wegdrückt und womöglich ein Nachbarschiff beschädigt. Das Segeln selbst ist einhand ziemlich easy zu bewerkstelligen. Man hat ja alle Zeit der Welt, und wenn ein Manöver fünf Minuten länger dauert, geht die Welt nicht unter. Die Hafenmanöver sind dagegen schon immer wieder tricky. Denn steuern, die Leinen ausbringen, die Muringleine fischen, das Boot im Wind halten – und all das in relativ kurzer Zeit – erfordert schon etwas Routine. Meine Empfehlungen zu diesem Thema: • Jeder Skipper sollte sich auf Einhand-Segeln einstellen. Stellen Sie sich vor, Sie sind mit Ihrer Familie unterwegs! Die Kinder sind in gefährlichen Situationen nicht wirklich eine Hilfe, der Partner hat sich den Knöchel verstaucht und liegt in der Koje. Und gerade dann zieht ein Gewitter auf, die Sturmböen kacheln übers Boot. Muss ich weiter ausführen? • Es ist sinnvoll, verschiedene Situationen zu üben. Das muss nicht unbedingt auf hoher See passieren. Üben kann man durchaus auch auf unseren Binnenseen. • Die Single-handed-Hafenmanöver sollten un be dingt trainiert werden. Kann ich das Boot zur Boje bringen? Gelingen mir die Anlegema növer? Längsseits? Bug voraus? Heck voraus? • In jeder Skippertasche soll ein Strecktau verstaut sein. Bitte dazu keine Leine verwenden – das ist viel zu gefährlich, man knickt allzu leicht um, und verletzt sich den Knöchel. Strecktaue sind flache Gurtbänder, im Fachhandel werden sie mit Verschlüssen für verstellbare Längen angeboten. Aus eigener Erfahrung kann ich abschließend nur bestätigen: Es hebt das Selbstvertrauen des Skippers, wenn man die wichtigsten Einhand-Manöver einigermaßen beherrscht und sich das auch zutraut. GOTTFRIED TITZL RIESER ist Commodore des Yacht Club Austria und passionierter Fahrtensegler mit insgesamt rund 25.000 in seinen Logbüchern dokumentierten Seemeilen. Sein Motto: „Die See ist der beste Lehrmeister!“ kolumne@ocean7.at 32 6/2024
GREEN MILE Tipps, Trends & Neuheiten FOTO: EZRA BÖHM Transportieren wie damals Brigantine Tres Hombres unter Vollbesegelung. Große Elektrifizierung SEGELMOTOREN. Mit Yanmar hat einer der größten Motorenhersteller im maritimen Bereich jetzt endlich auch E-Motoren im Angebot. Die E-Sail drive-Reihe ist in drei Modellen – SDe7, SDe10 und SDe15 – für Segelboote unter 40 Fuß erhältlich und nutzt eine „Plug and Play“-Plattform für einfache Installation und schnellen Anschluss. Der Antrieb kann einen Yanmar YM-Motor, einer der beliebtesten Segelbootmotoren, ersetzen, ohne dass FRACHTSEGLER. Mit der Brigantine Tres Hombres (Bj. 1943) und dem Schoner De Tukker (Bj. 1912) pendelt die Fairtransport Shipping Company zwischen Süd- und Nordeuropa und liefert dabei auf nachhaltige Weise Wein, Portwein, Rum sowie andere Waren aus. Diesen Herbst wird die Tres Hombres im niederländischen Den Helder überholt und kann dort während der Messe „Traditionele Schepen Beurs“ (8. bis 10. November) besichtigt werden. Im Sommer 2025 ist es dann auch wieder möglich, als Passagier auf dem Segelschiff mitzufahren, um an Bord das Seefahrerhandwerk (bzw. Teile davon) zu erlernen. è www.fairtransport.eu Rumpfmodifi kationen erforderlich sind – d. h., die Bootshersteller können auf Wunsch der Kunden problemlos eine SDe Umrüstung durchführen. Passend dazu gibt es ein neues Steuerungssystem mit einem 4,3-Zoll-TFT-Display als Anzeigeeinheit und Steuerhebeln in Seitenoder Aufsatzmontage. è www.yanmar.com Der Yanmar E-Saildrive ist mit 7, 10 oder 15 kW erhältlich. Ladefreundliches Logis. RIB mit Luxusvilla ELEKTRO-RESORT. Das deutsche Start-up ed-TEC geht unter die Immobilienentwickler. Am bei Šibenik gelegenen Prokljan See sollen fünf Luxusvillen entstehen, die dank Solarstromerzeugung und moderner Batterien zu 95 Prozent netzunabhängig sein werden. Jede Villa wird mit einem eigenen eD-32 c-Ultra Elektro-RIB ausgestattet sein. Die Villen, bei denen die Käufer noch die Möglichkeit haben, Grundriss, Ausstattung und Finish mitzubestimmen, haben eine Wohnfläche von mehr als 480 m² sowie eine Pool-Terrasse von mehr als 130 m² und verfügen über Fitnessstudio und Wellness-Elemente. Schlüsselübergabe soll voraussichtlich Ende 2025/Anfang 2026 sein. è www.ed-tec-resort.com Dänisch dynamisch REICHWEITENKÖNIG. Mit der Realm 44 wagt sich Rand Boat zum ersten Mal deutlich über die 10-m-Grenze hinaus. Der Walkaround-Weekender hat an Deck Platz für elf Personen, eine Außenküche und unter der Sonnenbank im Heck eine Tendergarage. Unter Deck finden sich zwei Doppelkabinen, eine Nasszelle und die Option einer zweiten Pantry. Beim Antrieb kann zwischen vier Inbordern (2 x 350 bis 2 x 440 PS), zwei Außenbordern (2 x 400 und 2 x 600 PS) und einem E-Motor ausgewählt werden. Letzterer hat es in sich: 2 x 300 kW mit einer 400(!) kWh-Batterie. Damit sollten sich bei sechs Knoten Marschfahrt 250 Seemeilen ausgehen! Zu den stets hoch gesteckten elektrischen Zielen der dänischen Werft passt auch eine weitere Nachricht: Als neuen Vertriebschef hat man mit Andreas Tjørnehøj einen ehemaligen Manager von Tesla mit ins Boot geholt. è www.randboats.com Dänisches Flaggschiff mit großer Reichweite unter Strom. 6/2024 33
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter