Verstrahlt, verbeult, verbraucht Wann ist ein Segel kaputt? Für den einen, wenn es schimmlig und fleckig nicht mehr zum gepflegten Image und zur hochglanzpolierten Yacht passt. Für den anderen, wenn es 140 Wenden im Wettkampf hinter sich hat. Und dann gibt es noch die, die ihr Segel nicht so schnell verloren geben. Bis ihnen eines Tages das Leukoplast ausgeht. Die lustigste Antwort war jedoch auf einer Internetseite zu finden: „Wird dein Boot versenkt, haben die Segel 100 Prozent Schaden.“ Alles klar? Text und Fotos Anette Bengelsdorf Die häufigste Todesursache bei Genuas ist definitiv das misshandelte Achterliek. Eine beliebte und weitverbreitete Methode ist, das Achterliek – sei es aus Dacron oder Mylarfolie – ungeschützt in der Sonne zu backen, bis es auseinanderfällt. Ist das Achterliek bei einer horizontal geschnittenen Dacron-Genua so stark UV-geschädigt, dass das Tuch reißt, gibt es nur eine Rettung: Der geschädigte Streifen muss abgeschnitten werden. Vom Kopf bis zum Schothorn wird eine Straklatte angelegt und sichelförmig so weit in das Segel hineingezogen, bis die Latte im gesunden Tuch liegt. Die kaputte Kante, meist zwischen 20 und 30 Zentimeter breit, wird abgeschnitten, das Segel neu gesäumt. Die Genua, im Achterliek jetzt deutlich hohler, hat etwas an Fläche verloren, dafür 48 6/2018
ersetzt werden. 15 Meter langes Abtrennen und Abpulen spröder Tuchreste braucht Geduld und Zeit. Zuschneiden und Aufnähen des neuen UV-Schutzes dauert. Da Zeit bekanntlich Geld ist, muss der Gesamtzustand der Genua schon gut sein, damit sich ein solcher Aufwand lohnt. In Zweifelsfällen oder um ein Segel über die Saison zu retten kann wie oben beschrieben die Achter- und Unterliekskante samt Biotop abgeschnitten werden. In anderen Fällen dient das Segel bestenfalls noch zum Abdecken des Brenn holzes hinterm Haus. steht sie ruhiger und das Achterliek klappert nicht mehr. Bei einem radial geschnittenen Mylarsegel oder einer Membrankonstruktion kann ebenso verfahren werden. Die neue Achterliekskante wird mit Gewebetape beklebt und mit einem Dacronstreifen eingefasst. Zweimal abgeschnitten und trotzdem kaputt Steht der beratungsresistente Persenning-Verweigerer jedoch nach zwei Jahren mit dem gleichen Problem wieder in der Tür, wird es schwierig: Das Segel kann nicht mehr hohler geschnitten werden. Da in der Zwischenzeit auch die Schotecke und das Unterliek irreparabel Schaden genommen haben, kann jetzt bei einem horizontalen Dacronsegel hinten und unten so viel abgeschnitten werden, dass sich eine neue Schotecke ergibt. Diese muss mit Verstärkungen neu aufgebaut und mit einer neuen Öse ausgerüstet werden. Das ist nicht optimal, da die Tuchbahnen nicht mehr exakt im rechten Winkel zum Achterliek liegen. Die Last, die vorher vom Schussfaden aufgenommen wurde, verläuft jetzt ein wenig diagonal zur Gewebeausrichtung. Das Segel dehnt daher im Achterlieksbereich mehr als vorher. Zudem ist die Genua nun im Unterund im Achterliek kürzer. Diese Maßnahme ist höchstens eine Notlösung, bis das neue Segel fertig ist. Und sinnvoll auch nur dann, wenn die Kosten für eine solche Rettungsaktion in einem vernünftigen Verhältnis zum Gesamtzustand des Segels stehen. Bei radial geschnittenen Segeln und Membranen kommt dagegen jede Hilfe zu spät. Da sich sowohl die Bahnen als auch die Fasern exakt in der Ecke schneiden und dort für höchste Festigkeit sorgen, kann diese nicht verlegt werden. Die Fasern oder Tuchbahnen könnten die Last dann nicht mehr optimal aufnehmen. Hier wird besser über ein neues Segel nachgedacht. Algenbiotop fürs Brennholz Auch ein UV-Schutz-Streifen auf Achter- und Unterliekskante ist leider keine Lebensversicherung. Auch diese Tuche altern. Dabei haben schwere Acrylgewebe eine längere Lebensdauer als die leichteren, vor allem in Binnenrevieren bevorzugten Polyestergewebe. Ist dieser Streifen so geschädigt, dass er an ein in Auflösung begriffenes Biotop für Algen und Schimmelpilze erinnert, müsste er Der Klassiker – die Latten tasche reißt aus dem verbrauchten Tuch. Segel leiden an Killophobie Weniger subtil als Strahlung, aber hochwirksam, ist auch das Killen. Flattert ein Vorsegel flaggengleich im Sturm, da jetzt gerade die Rollerleine gerissen ist oder die Trommel der Rollanlage blockiert, so handelt es sich um unterlassene Hilfeleistung, wenn das Fall nicht umgehend gefiert und das Segel geborgen wird. Auch in diesem Schadensfall kann der Segelmacher nur noch bedingt Leben retten. Bei Dacron bricht zunächst durch das andauernde Flattern das Harz, das dem Tuch seine Festigkeit gibt. Flattert dieses weiter, wird es förmlich rausgeschüttelt. Solche Tuche fühlen sich nach dieser Misshandlung weich und kreidig an und gehen sprichwörtlich „aus dem Leim“. Stufe zwei bedeutet das Auftrennen der Nähte. Meist ausgehend vom Saum oder Achterlieksstreifen löst sich das ohnehin immer UV-belastete Nähgarn in seine Bestandteile auf. Bleibt jetzt noch die umherfliegende Trimmleine in der Saling hängen, sind der Zerstörung keine Grenzen mehr gesetzt. Saum oder Streifen reißen ab, die Horizontalnähte trennen auf und die Tuchbahnen reißen durch das fortgesetzte Umherschlagen ein. Je nach Breite der Schädigung kann bei einer Reparatur ähnlich verfahren werden wie bei einer UV- 6/2018 49
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