Skipper’s Diaries Spät dran Crotone, Italien. Es ist Oktober, die letzten bissigen Ostwinde treiben dichte Wolken, beladen mit bleiernen Schauern. Über dem hohen Wellenbrecher sehen wir hin und wieder eine Windhose in der Ferne wüten und sind dankbar, nicht auf See sein zu müssen. Wir liegen im Kommerzhafen Porto Nuovo, kostenlos. Zwischen rostigen Service-Barkassen, ausrangierten Fischerkähnen, Schleppern und allerlei Tauwerk kreuz und quer. Vier Mächte machen sich die Herrschaft über den dreckigen Hafen streitig: die Polizia Locale, die Carabinieri, die Douane und die Guardia Costiera. Die einen netter als die anderen, mit gebügelten Uniformen, mit polierten Knöpfen, mit großen Motorbooten und Maschinenpistolen. Wir sind sicher. Von unserer Werkstatt aus sieht man die Burg, das Fischerviertel, unseren Mast über den Salingen und den Vorhafen mit den konfiszierten Schiffen, die auf die Einschmelzung warten. Der italienische Staat will sie nicht wieder verkaufen, um die Gefahr weiteren Schmuggels zu verringern. Sie werden von ihren Wächtern geplündert und unter der Hand verhökert. Schraube für Schraube, Tag für Tag. Die Sonnenbrillen der Mächtigen haben viel zu dunkle Gläser, um Licht auf diese Spiele zuzulassen. Der krummbeinige Nachbar von der dreck-orange-farbenen Serviceplattform lächelt freundlich und zeigt mir seine Raucherzähne, oder was von ihnen übrig ist. Ob wir was bräuchten? Nein, danke. Ich bin der Meinung, dass die obere Hälfte des Mastes vom konfiszierten Segler, der an seinem Kahn fest ist, mit dem nächsten stärkeren Wind auf seine Schlafstätte runterknallen wird. Er guckt hin und es scheint, als ob er die knarzenden sieben Meter Aluminium, die durch die Gegend wedeln, zum ersten Mal sieht. Als wir am Nachmittag einen blauen Riss in der Wolkendecke FOTO: SY MAOLIS VASSIL SVECHTAROV Bühnenbildner, Puppenspieler, Musiker, Autor und Weltumsegler. kolumne@ocean7.at Bücher, Musik, Projekte è www.sturetz.eu und drei Sonnenstrahlen mit einem Kaffee feiern, hält er es nicht mehr aus und bittet uns um Hilfe. Die Angst hat ihn gepackt und da ich dies unwollend in die Wege geleitet habe, fühle ich mich irgendwie verantwortlich. Wir sind doch Segler, gibt es denn nicht einen Weg? Können wir denn nichts tun? Er sei zu schwer und unbeholfen, aber wir seien doch Profis. Wir schauen uns an, es ist keine große Sache. Inga sichert mich, ich klettere, haben wir oft so gemacht. Der Nachbar trippelt aufgeregt umher. Wir dürfen uns dann auch nehmen was wir brauchen, sagt er. Ich bin schnell oben an der Saling. Die hängenden Stücke Hauptwant verlängere ich mit Seilen und Inga spannt unten am Deck. Es muss ja nicht gesegelt werden. Kaum mit der Steuerbordseite fertig, steht am Ufer die Guardia Costiera und winkt mich charmant herunter. Der Nachbar ist verschwunden wie altes Geld aus dem Umlauf. Kontrolle! Sind wir hier angemeldet? Wann? Papiere, Stempel. Was habe ich da oben verloren? Es scheint alles in Ordnung zu sein, denn sie entfernen sich rasch. Wieder im Mast, Backbordseite. Die Spiere steht wie angewurzelt. Wir vertrauen dem russischen Stahlkahn noch, denn jedes schwimmende Schiff verdient Respekt, auch wenn damit hungrige Emigranten geschmuggelt wurden. Fertig. Das kahlrasierte Deck bietet nicht viel Lohn und mir ist nicht nach Werkeln. Ah, zwei Blöcke. Kahn, auch wenn man dich einschmilzt, wirst du mit uns weiter über die Weltmeere segeln. VOM PROFI ZUM BANDITO Früh am nächsten Morgen spleiße ich im Cockpit eine Leine zum Frühstück, als mich das Gefühl einnimmt, dass ich beobachtet werde. Die Raucherzähne. Blutunterlaufene Augen zeugen von nächtlicher Feier. Er muss da länger gestanden haben und muss wohl etwas überlegen. Was? Dann zeigt er auf einen der Blöcke und auf sich – mein! Ich staune. Er wird ungeduldig und ungemütlich. Das Grau der Wolken ist nichts gegen die Farbe meiner Gedanken: Wem werden die Mächte hinter den Sonnenbrillen wohl glauben, wenn er erzählt, dass er mich nicht in den Mast geschickt hat? Wo würden sie suchen, wenn er eine Liste der an Bord der russischen Yacht fehlenden Gegenstände und Ausrüstung vorlegt? Wie könnten wir nachweisen, dass unsere lieben Winschen auch wirklich die unseren sind? Ich gebe ihm den Block hoch, er entfernt sich watschelnd und murmelnd: „… Banditi“. Eine Stunde später scheint die Sonne in unsere Segel. Die alten Schoten summen vergnügt unter ihren Fetzen. Wir sind spät dran. 74 3/2023
PANORAMA Tipps, Trends & Neuheiten Frische Charter-Ware Sportlich chartern? Beneteau First 36! NEUZUGÄNGE. Im Portfolio von 1a Yachtcharter finden sich ab diesem Frühjahr gleich vier brandneue Modelle frisch ab Werft. Schon fast ein Oldie unter den Neuen ist der 2021 auf den Markt gekommene Segelkat Bali 4.4., der z. B. in Athen stationiert ist. Wer Sportlichkeit bevorzugt, aber Komfort nicht missen möchte, wird möglicherweise auf Beneteaus neuer First 36 sein Glück finden, die ab Split gebucht werden kann. Die 10-m-Neuheit Dufour 37 kreuzt bei 1a Yachtcharter an der Côte d’Azur. Und die ebenso flotte wie familientaugliche Elan Impression 43 legt in Pula ab. è www.1a-yachtcharter.de Deutsche Sauberkeit SOLARKAT. Bei Alva Yachts geht es nun zur Sache. Zur Erinnerung: Die junge deutsche Werft hat sich auf autarke Solarkatamarane spezialisiert, die Luxus und Nachhaltigkeit vereinen sollen. Als erstes Modell soll nun im September beim Cannes Yachting Festival eine Ocean Eco 60 Weltpremiere feiern. Allüberall an Deck sieht man Solarpaneele blitzen, der Elektroantrieb ist bei 6 Knoten für 100 Seemeilen gut, auf einen Dieselgenerator als Range-Extender verzichtet man dennoch nicht. Einen Händler für die Adria gibt es auch schon: Yachtwerk kann eine Ocean Eco 60 im 4. Quartal 2024 ausliefern und in Verbindung mit dem Partner- Charterunternehmen Splendid Yachting ab 2025 ein Modell im Charter anbieten. è www.alva-yachts.com è www.yacht-werk.de Solarpaneele stehen ihr gut: Alva Ocean Eco 60. Recht verständlich ÜBERSETZUNG. Wenig überraschend hat Kroatien ein eigenes Seerecht und natürlich ist dieses auf Kroatisch abgefasst. Skippertrainer und Autor Rudi Czaak hat das kroatische Seerecht für Boote und Yachten mit Unterstützung des kroatischen Marine-Ministeriums, der Juridischen Fakultät Wien sowie eines kroatischen Übersetzers mit juridischem Hintergrund als deutschsprachiges Taschenbuch publiziert. Zu beziehen um € 20,– über die Website des Autors. è www.czaak.at FAQ INFOSYSTEM. Eine gute Idee für Charterfirmen und ihre Gäste: Das kroatische Start-up C.I.G.O. hat ein Online-Tool entwickelt, das Charterkunden nach der Übernahme der Yacht alle möglichen Infos auf dem Smartphone zur Verfügung stellt – man muss also nicht mehr wegen jeder Frage ins Büro oder den Base-Manager anrufen. Das System hilft mittels Beschreibungen, Bildern und Videos bei den häufigsten Anliegen der Charter- Gäste bezüglich technischer Dinge an Bord, liefert aber auch Wetterberichte und Sturmwarnungen, eine Übersicht über alle Marinas und Tankstellen, Revier-Infos und vieles mehr. Derzeit ist das neue System in der Marina Rogoznica im Einsatz, mit weiteren Flottenbetreibern ist man bereits im Gespräch. è www.c-i-g-o.com
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