Boten der Meere Tigerhaie als Kundschafter der Wissenschaft Haie finden sich in den Schlagzeilen der Medien vor allem im Zusammenhang mit dem illegalen Handel von Haifischflossen oder nach Angriffen auf Wassersportler. In beiden Fällen gehören auch Tigerhaie zu den Opfern beziehungsweise zu den Tätern. Dass Haie auch für wissenschaftliche Forschungsprojekte als Erkunder der marinen Unterwasserwelt eingesetzt werden, mag überraschen. Ein Beispiel dafür ist das vorgestellte Projekt, in dem markierte Tigerhaie die genauere Kartierung von Seegraswiesen ermöglichten. Text REINHARD KIKINGER FOTO: TOMAS KOTOUC/SHUTTERSTOCK.COM 46 3/2023
Dieser Hai, Galeocerdo cuvier, erreicht eine Länge von meist drei bis vier Metern, wobei Weibchen die Männchen größenmäßig übertreffen und auch über fünf Meter groß werden können. Der umgangssprachliche Name leitet sich von der getigerten Zeichnung der jungen Tigerhaie ab. Mit zunehmendem Alter wird diese Zeichnung undeutlicher oder geht gänzlich verloren. Das weite Verbreitungsgebiet dieser großwüchsigen Haiart umfasst tropische, subtropische und warm gemäßigte Meere. Der Tigerhai ist möglicherweise die Haiart mit dem breitesten Nahrungsspektrum. Das reicht von Aas und Treibgut über Krebse, Fische, Tintenfische, Seeschlangen und Vögel bis zu Meeresschildkröten, Robben, Dugongs und Delfinen. Er ist damit einer der Spitzenprädatoren der marinen Nahrungskette, kann selbst aber Orcas zum Opfer fallen. Charakteristisch ist die Zahnform des Tigerhais. Seine Zähne sind gezackt, besitzen an der Basis eine ebenfalls gezackte Verbreiterung und sind offenbar besonders gut geeignet, um zähe und harte Substanzen wie Panzer von Meeresschildkröten zu durchtrennen. DIE ENTDECKUNG DES WELTWEIT GRÖSSTEN SEEGRAS-BESTANDES Zwischen 2016 und 2020 brachte der Wissenschaftler Dr. Austin Gallagher Videokameras an Tigerhaien an. Das Untersuchungsgebiet war die Region der Bahamas. Die Bahama Banks sind riesige flache REINHARD KIKINGER ist Meeresbiologe und langjähriger Kursleiter an der Universität Wien, an Feldstationen im Mittelmeer und auf den Malediven. FOTO: PRIVAT Tigerhai und Taucher – eine Begegnung, die für beide Seiten spannend ist. Das Foto verrät uns viele Details. Der Taucher verhält sich ruhig, hat auf dem Sandboden Position bezogen und beobachtet den Hai, der zwischen ihm und dem Fotografen durchschwimmt. Der Hai ist ein Weibchen, zu erkennen an den Bauchflossen, die nicht zu den röhrenförmigen Klaspern der Männchen erweitert sind. Die Begegnung findet im flachen Wasser statt, die sichtbare Wasseroberfläche, die Sandrippeln und das perfekte Tageslicht zeigen das deutlich. Bleibt die Frage nach der Größe des Hais. Der Vergleich mit dem Taucher ist nicht hilfreich, weil die Perspektive verzerrt. Aber die beiden Schiffs halter, die unter dem Hai mitschwimmen, sind ein guter Maßstab. Sie scheinen ausgewachsen zu sein und sind damit etwa einen Meter lang. Damit ist die Größe des Tigerhais auf gute vier Meter einzuschätzen. 3/2023 47
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter