Gut gerüstet Das 1 x 1 der Rettungsweste Von der Jolle bis zur Superyacht gehört die passende Rettungsweste zur absoluten Standardausrüstung an Bord – so sollte es zumindest sein. Antworten zu den wichtigsten Fragen rund um das Thema Auswahl, Funktion und War tung gibt es viele, die aufschlussreichsten sind hier kurz zusammen gefasst. Text, Illustrationen und Foto PANTAENIUS Heureka!“ soll Archimedes von Syrakus gerufen haben, als er beim Baden ganz zufällig das Prinzip des Auftriebs entschlüsselte. „Ich habe es gefunden!“ Auch wenn der Wissenschaftler wohl anderes im Sinn hatte, als eine Rettungsweste zu entwickeln, die Vorarbeit war getan. Dank des archimedischen Prinzips ist klar: Ob ein Gegenstand auf dem Wasser schwimmt, hängt vom Verhältnis zwischen Auftrieb und Gewichtskraft ab. Dieser Auftrieb ist dann groß genug, wenn das verdrängte Volumen größer ist als das Volumen des Wassers, das dem Gewicht des Gegenstandes entspricht. Das kommt nicht nur Booten und Yachten zugute, sondern sorgt auch dafür, dass Rettungs westen ihren Zweck erfüllen. Bis Bootseigner ihren persönlichen Heureka-Moment erleben, kann heutzutage jedoch schon mal einiges an Zeit vergehen, denn der Markt bietet eine fast unüberschaubare Menge an Rettungswesten, die dann auch noch unterschiedlich klassifiziert sind. 56 3/2022
WELCHE WESTE WOFÜR? Generell werden folgende Kategorien unterschieden: 100 Newton, 150 Newton und 275 Newton. Zumindest aus dem Physikunterricht dürfte auch Laien diese Einheit ein Begriff sein. Sie steht für Kraft und beschreibt demnach die Auftriebskraft. Viele Hersteller werben heute mit anderen Auftriebsangaben als den hier vorgestellten Auftriebsklassen, diese beziehen sich jedoch lediglich auf den sogenannten realen Auftrieb, der erzielt werden kann. Eine mit 180 Newton beworbene Weste fällt somit ebenfalls in die Kategorie 150 Newton. Tatsächlich beschreiben die drei Kategorien nämlich lediglich den Mindestauftrieb, der von einer Rettungsweste geleistet werden muss. Die erste Frage, die gestellt werden sollte, lautet: Wozu brauche ich die Rettungsweste? Möchte ich mit der Jolle aufs Wasser, will ich auf einer Fahrtenyacht in Küstengewässern segeln oder will ich zum Angeln mit dem Motorboot ganz weit raus? Der Markt bietet mittlerweile sehr spezifisch auf verschiedene Formen des Wassersports zugeschnittene Lösungen, die mitunter durch sinnvolle Schnitte und Aufrüstmöglichkeiten den Bordalltag angenehmer und den Einsatz effizienter machen. Die zweite Frage, die unabhängig von ihrer ersten Antwort gestellt werden sollte, lautet: Welche Kleidung werde ich bei meiner Aktivität tragen? Sommerliche Temperaturen erlauben den Einsatz von Rettungswesten mit weniger Auftrieb und weniger Volumen. Wenn Schlechtwetterbekleidung getragen wird, dann muss mehr Auftrieb gewährleistet werden, denn gerade Lufteinschlüsse unter wasserdichter Kleidung verändern das Drehverhalten einer Rettungsweste schnell nachteilig und sorgen so womöglich dafür, dass eine 150 Newton-Rettungsweste nicht wirklich ausreicht. KINDERWESTEN Für die Kleinsten gibt es heute geeignete Feststoffwesten, die sehr leicht produziert werden und bereits für Kleinkinder ab 5 kg Körpergewicht geeignet sind. Automatische Rettungswesten sind etwa ab 15 kg Körpergewicht erhältlich. Hier ist der Tragekomfort natürlich deutlich größer und es bieten sich außerdem Möglichkeiten, über ein Harness-System mit D-Ring zum Beispiel eine Sorgleine anzubringen, um das Überbordgehen eines Kindes zu verhindern. Achtung: Schwimmhilfen und Rettungswesten sind, wie der Name schon sagt, unterschiedliche Ausrüstungsgegenstände. Schwimmhilfen unterstützen, bieten jedoch nur maximal 50 Newton Auftrieb, sodass der Träger selbst mitschwimmen muss. Sie sind somit keinesfalls als Rettungsmittel geeignet. PASSFORM UND RICHTIGE ANWENDUNG Steht die Kategorie fest, geht es an die Feinheiten. Viele Anbieter liefern online gute Orientierungshilfen. Wer sich nicht auskennt, ist jedoch im Fachhandel besser beraten, denn „die“ beste Rettungsweste gibt es nicht. Ob und wie eine Rettungsweste passt, wie man sich darin fühlt und wie konsequent man sie im Umkehrschluss an Bord zu tragen bereit ist, hängt von sehr individuellen Punkten ab. Erst angelegt und richtig eingestellt zeigt sich in der Regel, ob die Rettungsweste zum Körperbau und dem Bordalltag passt. Die Rettungsweste ist grundsätzlich wie eine Jacke anzuziehen und sollte möglichst eng eingestellt werden, ohne dabei einzuschnüren. Passen gerade noch zwei Finger zwischen den Verschluss des Leibgurtes und den Körper des Trägers, sitzt die Rettungsweste in der Regel richtig. Besonders wichtig ist darüber hinaus der Sitz des Schrittgurtes. Dieser sollte möglichst stramm angezogen werden, sodass die Rettungsweste im Einsatz nicht verrutschen kann. Ohne den korrekt sitzenden Schrittgurt kann keine sichere Wasserlage gewährleistet werden und zudem sorgen lose herunterhängende Gurte an Deck für ein erhöhtes Sturzpotenzial. 100 NEWTON: Ab einem Auftrieb von 100 Newton bieten Rettungswesten einem durchschnittlichen Erwachsenen den Auftrieb, der benötigt wird, um in geschützten Bereichen und Binnenrevieren ohne starken Wellengang auf Hilfe zu warten. 100-Newton-Modelle existieren als Feststoff- und als Automatikweste. Achtung: Rettungswesten dieser Kategorie sind nur eingeschränkt ohnmachtssicher. 150 NEWTON: Diese Westen sind in der Regel ohnmachtssicher und drehen die über Bord gegangene Person somit in eine sichere Schwimmlage, die ohne eigenes Zutun beibehalten werden kann. Für die meisten Küsten- und Seereviere bieten sich diese Westen an. 150-Newton- Modelle existieren fast ausschließlich als Automatikweste. In der Berufsschifffahrt werden zum Teil auch Feststoffwesten verwendet, wobei diese Modelle den Bewegungsradius der tragenden Person stark einschränken. 275 NEWTON: Rettungswesten der leistungsfähigsten Kategorie verfügen über einen Auftrieb von 275 Newton, der auch dann noch reicht, wenn schwere Kleidung wie zum Beispiel Ölzeug getragen wird. Für Hochseesegler und extreme Wetterbedingungen die erste Wahl, da diese Rettungs westen zudem mit einer sogenannten Spray Hood ausgerüstet werden können, die das Auskühlen des Kopfs verlangsamt und auch bei Überspülen in schwerer See das Atmen ermöglicht. 3/2022 57
YACHTING, REISEN UND MEER 3/2022 Ma
28.05 - 05.06.2022 SX76 SX88 SL78 S
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