xxxxx xxxx An die Festmacher erinnert sich mancher tiefenentspannte Segler im Urlaubsmodus erst, wenn ihm in der Boxengasse einfällt, dass sie noch aufgeschossen in der Backskiste liegen. Findet er dann endlich eine freie Box, sind sie oft nicht klar oder zu kurz. Dieses Tauwerk ist eben mehr als nur „Fancywork“. Es ist wie die Räder unterm Auto. Unentbehrlich, um das Boot auch nur „parken“ zu können. Text und Fotos Anette Bengelsdorf Festmacher Wir vertrauen unseren Festmachern nichts Geringeres als unsere Yacht an. Somit wird der Festmacher, ob wir es wollen oder nicht, zu einem wichtigen Ausrüstungsgegenstand an Bord. Und trotzdem ist dieses Tauwerk oftmals in bedauernswertem Zustand. Alt, abgewetzt, UV-verstrahlt oder schlichtweg ungeeignet. Was muss er eigentlich leisten, der Festmacher und wie sollte er im Idealfall beschaffen sein? Die Liste der Anforderungen ist lang Während Fallen und Schoten zum größten Teil am Mast, aufgeschossen unter Persenningen und Sprayhoods oder in Segelsäcken und Backskisten, vor UV-Licht und Witterung geschützt sind, ist der Festmacher mindestens sechs Monate im Jahr im Dauereinsatz. Ungeschützt. Wie bei keinem anderen Tauwerk steht daher die Witterungsbeständigkeit im Vordergrund. Fallen und Schoten sind einer Dauerbelastung ausgesetzt. 46 3/2019
Ganz anders dagegen unser Festmacher. Je nach Liegeplatzsituation zerrt das Boot ruckartig am Festmacher. Je mehr Schwell und je schwerer die Yacht desto heftiger. Wechsellasten, also ein Wechsel aus Zug und Lose, setzen Tauwerk extrem zu. Festmacher müssen daher über ein erhebliches Maß an Elastizität verfügen, um diese Strapazen zu überstehen, die Klampen zu schonen und um uns ein Schleudertrauma beim Aufenthalt an Bord zu ersparen. Sie scheuern an Ringen, Stegkanten, Dalben. Mit teils dramatischen Folgen für die Festigkeit. Daher müssen sowohl das Material als auch die Konstruktion extrem strapazierfähig und abriebfest sein. Schießen wir eine lange Festmacherleine auf, erwarten wir, dass sie weich und lehnig in Buchten fällt und sich problemlos verstauen lässt. Hartes, steifes Tauwerk ist eher ein Ärgernis. Stephan Boden beschreibt in seinem „Ostsee-Roulette“ einen Pfahlwurf: „Man schießt die lange Leine sauber auf, teilt sie dann in der Mitte, stellt sich mit den Füßen auf die losen Enden und beginnt mit den Armen, in denen jeweils die Hälfte der Leine hängt, Richtung Wurfziel zu schlenkern. Dann wirft man beide Teile einfach los. Bei fünf Metern Entfernung treffe ich so fast immer …“ Aber ganz bestimmt nicht, wenn das verwendete Tauwerk einen starken Drall hat und beim Werfen viele lustige Kinken bildet. Nur zwei Rohstoffe sind wirklich geeignet Zeitgleich mit dem Auftauchen der Dacronsegel verdrängte die Chemie auch Tauwerk aus Naturfasern. Hanf, die älteste Faser zur Herstellung von Tauwerk, war über Hunderte von Jahren Standard. Langfasrig, weich und reißfest wurde sie zu Tauwerk und Trossen geschlagen. Ungünstig verhielt sich Hanf jedoch bei Nässe. Es verrottete, wurde steif und Knoten ließen sich Geschlagenes Tauwerk ist der Klassiker unter den Festmachern und die billigste Variante. oft nicht mehr lösen. Um die Wasseraufnahme zu reduzieren, wurde es mit Teer imprägniert. Kokos diente lange Zeit zur Herstellung von Schlepptrossen. Kokos nimmt im Gegensatz zu Hanf kaum Wasser auf, fault daher nicht so leicht und schwimmt. Die Faser ist jedoch sehr hart und das Tauwerk stocksteif. Auf der Suche nach einer Alternative zu Hanf entdeckte man Manila, eine bis zu zwei Meter lange Faser, die bis heute aus einer wilden philippinischen Bananenstaude mit ungenießbaren Früchten gewonnen wird. Daraus produzierte man ab dem 19. Jahrhundert Tauwerk mit Eigenschaften, die bis zur Entdeckung der Chemiefasern sämtliche Bedürfnisse befriedigen mussten. Manila nahm weniger Wasser auf als Hanf, war salzwasserresistent, rottete nicht so schnell und Knoten ließen sich leichter lösen. Zwar reckte es mehr als Hanf, dafür hatte es eine höhere Bruchlast. Manila galt bis 1950 als Allzweckfaser in der Tauwerkproduktion. Danach beherrschte zunächst alles, was mit „Poly“ begann den Tauwerkmarkt. Zum ersten Mal konnten Rohstoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften gezielt zur Herstellung von Tauwerk für einen spezifischen Einsatzbereich eingesetzt werden. Polyester besitzt Eigenschaften, die es für Festmacher bestens geeignet macht. Es ist in hohem Maße salzwasser-, UV- und witterungsbeständig, ist abriebfest und hat eine hohe Festigkeit. Nachteilig ist die geringe Dehnung. Eine der ersten Chemiefasern, Polyamid, kann dagegen besonders in Sachen Dehnung punkten. Im Extremfall dehnt es bis zu 40 Prozent, bevor es reißt. Dabei nimmt Polyamid deutlich mehr Wasser auf als Polyester und ist in nassem Zustand noch abriebfester als trocken. Seine UV-Beständigkeit lässt im Vergleich mit Polyester jedoch zu wünschen übrig. Die ersten Polyamidfestmacher fielen zudem unangenehm auf, da sie unter UV- und Wassereinwirkung bereits nach zwei Jahren schrumpften, verhärteten und an Festigkeit verloren. Modernes Polyamid ist dank verbesserter Produktionsverfahren davon nicht mehr betroffen. Obwohl Festmacher aus Polypropylen im Handel sind, sind sie aufgrund ihrer geringen Bruchlast sowie mangelhafter Witterungs- und UV-Beständigkeit eher ungeeignet. Zu empfehlen sind sie höchstens da, wo eine Leine, aus welchem Grund auch immer, unbedingt oben schwimmen muss. Die meisten Leinen in klassischer Hanf-Optik bestehen aus Polypropylen-Stapelfasern. Alle Hightechmaterialien wie Dyneema oder Aramid sind komplett tabu. Sie hätten die nötige Festigkeit, dehnen aber nicht, kommen mit Wechsellast nicht klar und die Witterungsbeständigkeit ist suboptimal. Ausgediente Hightechfallen und Schoten, auch solche aus Polyester, sind daher als Festmacher ein absolutes No-Go. 3/2019 47
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