Ocean7
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OCEAN7 2016-06

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Slow Travel in Irland: Mit dem Hausboot auf dem Shannon durch die mystischen Midlands. The good and the bad: Weltumsegler Wolfgang Hausner über gute Gäste – schlechte Gäste an Bord. Bitte melden: Die besten Kontakte und (Daten-)Verbindungen für die Kommunikation auf Langfahrt.

OCEAN7Revier Mit dem Blick des Flaneurs durch Europas Städte und Häfen streifen, sie fügen zur Collage eines persönlichen, imaginären Europas, gelegen irgendwo zwischen Rom, Triest, London, Ge schichten notieren, wo immer man auf sie trifft, sie niederschreiben in den Cafés und Bars an den Kais, Notizen fürs Online-Stammcafé: Sailing Poetry. heuer erstmals besuche. Deren Motto ist „Reporting from the front“. Wer hinsieht, findet Ideen für die nächsten zwei oder auch 200 Jahre. Spaziere vom Boot also morgens hinüber zur Eröffnung, habe mich für die drei Preview-Tage akkreditieren lassen. Komme zurecht zur Eröffnung der Ausstellung im Österreich-Pavillon: Die halbe Wiener Kulturszene ist hier versammelt; alle freuen sich, alle danken einander, die Kuratorin freut sich und dankt, die Architekten freuen sich und danken, der neue Kulturminister Drozda dankt dem alten Kulturminister Ostermayer für die Auswahl der Kuratorin, freut sich und dankt, dann darf man endlich zur Ausstellung. Jetzt freu’ ich mich und danke. Danach zurück aufs Boot, umziehen und ins Café Florian zum üblichen Biennale- Empfang. Die Biennale di Architettura ist noch bis 27.11. geöffnet; 2017 gibt’s wieder die Kunstbiennale; Eröffnung am 13.5., Preview 10–12.5., Thema: Universes in Universe. 1 2 An der Riva degli Schiavoni treffe ich auf Richard Wagner, Riccardo, wie ihn die Venezianer nennen, im Gefolge Cosima und Franz Liszt. Wir kommen gerade von den Giardini, sagt er, die einzige nennenswerte Ansammlung von Bäumen in Venedig, spaziere gern diesen Weg nach dem Abendessen, ehe ich nachts wieder den schweigsamen Kanal hinabfahre zu meinem einsamen Arbeitszimmer. Sie arbeiten an Ihrem großen Werk, dem Parsifal, sage ich. Er hat mir gestern erstmals die gesamte Ouvertüre am Klavier vorgespielt, wirft Cosima ein. Ja, sagt Wagner, auch wenn es um meine Gesundheit nicht zum Besten steht, der Parsifal hat Vorrang, und Bayreuth bleibt geschlossen, bis er fertig ist. Aber dieser Jude Levi darf den Parsifal nicht dirigieren, sagt Cosima, jedenfalls nicht ungetauft! Der ist allerdings der Generalmusikdirektor in München und als Dirigent der beste für dieses Werk, meint Wagner, ich halte an ihm fest, auch wenn ich die jüdische Rasse für den geborenen Feind der reinen Menschheit und alles Edlen halte ... an dem namentlich wir Deutsche zu Grunde gehen werden, fügt Cosima dieser antisemi - tischen Tirade hinzu und ich ziehe mich mit einer höflichen Verbeugung zurück. 24 OCEAN7 06/2016 | November/Dezember 2016

Venedig Foto: Shutterstock (1), Jaione Garcia/Shutterstock (1) Wenn ich in Venedig bin, schau’ ich stets auch im Palazzo Venier dei Leoni vorbei. Gestern stoße ich dort wieder auf dessen Herrin: Peggy Guggenheim, la ultima Dogaressa, wie man sie in Venedig nennt. Sie sitzt still in einer Ecke, trägt ein venezianisches Kleid mit Krinoline im Stil des 16 Jahrhunderts, ist mit zwei riesigen Ohrringen geschmückt, jene, die Marcel Duchamp für sie gestaltet hat und die ich zuletzt an der Wand ihres Schlafzimmers gesehen habe, die vollbestückt ist mit Ohr ringen, von Künstlern des 20. Jahrhunderts für Peggy persönlich gestaltet. Sie sieht aus wie eine ihrer Skulpturen, wenn auch nicht eine von Giacometti. Jetzt sieht sie ihren Besuchern zu, meist unerkannt, wie die sich ihre Kunst ansehen. Ich weiß, was sie von ihren Gästen erwartet und küsse ihr wie immer zur Begrüßung die Hand, keine besondere Angelegenheit, kann mir aber gut William Burroughs vorstellen, den sogenannten Beat-Poeten, der auf Besuch in Venedig bei der berühmten, reichen Amerikanerin zu Gast sein wollte. „Naked Lunch“ war gerade erschienen und der, als man ihm zu einem Handkuss riet, einen etwas derben Witz machte: Wohin er Peggy durchaus küssen wolle, wenn auch nicht gerade auf die Hand, was ihr zu Ohren kam und worauf sie ihn aus ihrem Haus verbannte. Niemand beherrscht den Handkuss so wie Sie, sagt Peggy lachend. In Wien pflegt man den sogar im Kaffeehaus, sage ich, erinnere sie dann an die Geschichte mit Burrroughs. Sie lacht und sagt: Ich liebte ja stets die sogenannte Boheme, wenn deren Vertreter sich nur etwas besser zu benehmen wüssten. Es ist merkwürdig, in einem Museum zu wohnen, fährt sie fort, seitdem ich hier dreimal die Woche geöffnet habe, muss ich Seile spannen lassen, damit ich wenigstens im Schlafzimmer Ruhe habe und im Bad. Ihr Pavillon auf der Biennale wird hoch gelobt, sage ich. Ja, der griechische stand leer, des Bürgerkrieges wegen, so konnte ich ihn nutzen und die USA sehen sich durch mich gut repräsentiert, ihr eigener Pavillon ist nicht rechtzeitig fertig geworden, so habe ich Picasso ausgestellt, Matisse, Kandinsky, Polloc, Duchamp, Miro, Max Ernst, Giacometti, Paul Klee ... ist ohnehin nicht viel Besseres nachgekommen, die Malerei auf der Biennale wird jedes Jahr schlechter, es fehlt heute der Pioniergeist in der Kunst, wie es ihn gab, als ich noch sammelte. Heute wollen die Künstler alle nur mehr originell sein und gute Preise erzielen und ich kann mir ihre Werke gar nicht mehr leisten, gehöre ja bekanntlich zum armen Zweig der Guggenheims ... Habe übrigens gerade meine Gondel gerufen, mich zu den Giardini zu bringen, kommen Sie doch mit! Mit einer Gondel? frage ich etwas dämlich. Es ist die letzte Privatgondel Venedigs, sagt sie, mit einem Riva-Motorboot kann jeder fahren. Im Vorhof des Palazzos zum Canale hin steht die Skulptur Mario Marinis, ein Pferd mit einem nackten Reiter, der einen deutlich erigierten Penis zur Schau stellt. Diesen Penis hier vor dem Palazzo haben mir die Venezianer nie ganz verziehen, lacht Peggy, man erzählt sich, dass er abschraubbar sei und dass es ihn in verschiedenen Größen gäbe – je nach Bedarf. Und selbstverständlich stimmt, was man sich erzählt, sage ich, und Peggy, die indirekte Frage elegant übergehend, setzt fort: An hohen Feiertagen entferne ich ihn allerdings aus Respekt vor den Nonnen, die hier vorbei zu Santa Maria della Salute gerudert werden. Dass ich hier gern nackt meine Sonnenbäder nehme, missfällt den Venezianern übrigens auch, aber meist beobachten mich nur die Carabinieri von ihren Booten aus, mit Ferngläsern – so fühle ich mich stets gut beschützt in Venedig. Fahre diesmal also in Peggys Gondel zu den Giardini, ein junger, gut aussehender Gondoliere rudert uns, der mit seiner Chefin vertraut zu sein scheint und jedem Wink ihrer Hand gehorcht. Zum Abschied sagt Peggy zu mir: Kommen Sie doch heute Abend zu meinem kleinen Empfang, wir feiern auf der Dachterrasse, Sie werden ein paar Schriftstellerkollegen treffen – und nehmen Sie sich nichts mehr vor für diese Nacht. Als ich zu zögern scheine, sagt sie lachend: Nur keine Angst, es stimmt zwar, dass manche Männer sich von mir überfordert fühlen, wobei ich ihnen aber nicht mehr abverlange als das, was ich schon als junge Frau auf den pompejanischen Gemälden gesehen habe – und das darf man doch erwarten, oder? Werde mir diese pompejanischen Wandgemälde noch einmal genauer ansehen müssen. 3 1 Biennale, Hauptpavillon 2 Im Palazzo Vendramin Calergi, heute als Casino genutzt, wohnte Richard Wagner. 3 Mario Marini, L’Angelo della Città, 1948 4 Palazzo Guggenheim 5 Peggy Guggenheim 5 4 November/Dezember 2016 | OCEAN7 06/2016 25

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