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OCEAN7 2016-06

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Slow Travel in Irland: Mit dem Hausboot auf dem Shannon durch die mystischen Midlands. The good and the bad: Weltumsegler Wolfgang Hausner über gute Gäste – schlechte Gäste an Bord. Bitte melden: Die besten Kontakte und (Daten-)Verbindungen für die Kommunikation auf Langfahrt.

OCEAN7Revier Teil 1 Sailing PoetryTeil 1 Alfred Zellinger, nach seinen „40 Jahren im Auge des Kapitalismus“ jetzt „nur mehr“ Schriftsteller und Segler, liegt mit seinem Boot seit dieser Saison in der neuen Marina Sant’Elena/Venedig und schreibt übers Segeln durch europäische Kulturen, Geschichte und Geschichten – wofür das adriatische Meer und insbesondere Venedig ihm reichlich Material bieten. Fotos: Isabella Gaupmann, Alfred Zellinger 20 OCEAN7 06/2016 | November/Dezember 2016

Seglertweet: Bin Venedig/im Café oder auf dem Boot/Sant‘Elena, Pier Ce Ankergrund Europa. Was wäre eigentlich typisch für Europa? Michel - angelos David? Da Vincis Mona Lisa? Botticellis Schaumgeborene Venus? Die Guernica? Homer? Ovid? Da Vincis Homo Vitruvianus? Die Königstochter Europa und der verliebte Zeus als Stier? Oder vielleicht einfach eine segelnde Barke, wie sie in der Geschichte auftauchte, im Zweitstromland Mesopotamiens, dann auf dem Nil und schließlich im Mittelmeer, erst nur die Küsten befahrend, später hinaus auf die offene See segelnd. Das Mittelmeer, Jahrtausende still und schifflos, trennte die Menschen erst, verband sie dann aber zwischen seinen Ufern, sobald mit der Seefahrt Wasser und Land zu leben begannen. Segel tauchen auf zwischen den Inseln, Neugier, Entdeckungs - fieber, Hoffnung auf Gewinn, Machtstreben und, ja, heute auch sportlicher Ehrgeiz treiben Menschen auf die Meere. Orient und Occident treffen aufeinander, Waren, Erkenntnisse, Techniken werden ausgetauscht, Kulturen breiten sich aus, die zu europäischen werden. Es gäbe keine Zivilisation ohne diese Segelbarken. Sailing Ulysses. Lese wieder die Odyssee, die mich mein Leben lang begleitet und früh meine europäische Identität prägte. Der Gesang der Schiffer, von den Wellen aufgenommen, zu den Küsten getragen, erzählt von Ufer zu Ufer, weitergesponnen in den Hafenbars, von Dichtern niedergeschrieben – so entstehen Geschichten, so entstehen Mythen. So werden diese weitergegeben. Der mediterrane Raum ist voll von Legenden, die Odyssee wurde erzählt von einer Hafentaverne zur nächsten, Homer war kein Segler, aber er hat die Seeleute seiner Zeit befragt, weshalb seine navigatorischen Angaben heute noch zutreffen. Seine interessantesten Abenteuer hat Odysseus übrigens nicht im ägäischen Meer erlebt, sondern im Ligurischen, Jonischen, Thyrrhenischen und Adriatischen Meer – und auf diesen Meeren habe ich seine Kurse gekreuzt. Eine Ausgabe der Odyssee befindet sich stets bei mir an Bord. Seglertweet: Von Leuchtfeuer zu Leuchtfeuer schreitet der Segler voran. Biograd–Venedig. Mit der Katawa, einer 46 Fuß-Grand Soleil, von Biograd nach Sant’Elena, Venedig. Wie schon mehrmals in früheren Jahren segeln wir die Strecke in drei Tagen. 1. Tag, Biograd–Mali Lošinj: Machen fest in der geräumigen Stadtmarina, essen gut in einer Konoba mit dem passenden Namen für Seefahrer: Odisej. 2. Tag, Mali Lošinj–Poreč: Anlegen an der Stadtmole, essen ausgezeichnet im Fischrestaurant Ulysses, oben beim alten Kloster, wo man sich auf istrische und Wir kreuzen den Kurs eines seltsamen Bootes, indigoblau, am Bug ein Auge aufgemalt, der Rumpf geteert, 10 Riemen auf jeder Seite, ein Mast, eine Rah, Wanten aus Leder, das Segel aus Papyrus nützt den günstig stehenden Wind, wir bergen die Segel und gehen längsseits, der Skipper stellt sich vor als Odysseus; Herr von Ithaka und von Bord zu Bord unterhalten wir uns. Er komme von den Säulen der Herkules, habe dort den ewigen Strom des Okeanos geschaut und schaudernd kehrtgemacht, erzählt er, hätte den Winter zuvor auf der Insel der Circe verbracht, sein Boot dort an Land gezogen. Unsere Geschichte wird noch erzählt werden, sagt er, die Geschichte von Männern, die von der schönen Circe, die man eine „Zauberin“ nennen wird, in Schweine verwandelt wurden. Das ist wohl nicht weiter schwierig, sage ich, auf sowas verstünde sich doch jede schöne Frau – ganz ohne Zauberei. Circe verbringt den Sommer übrigens in dieser neuen Stadt am Fluss Tiberis, die man Rom nennt, sage ich, etwas landeinwärts, von Aeneas gegründet nach seiner Flucht aus dem brennenden Troja, habe die Frau an der Rezeption der Marina di Roma getroffen und zu einer Party mitgenommen in die Via Veneto, über Harry’s Bar, sie erfreue jetzt dort eine hohe Zahl neuer Anbeter. Wusste ich doch, lacht Odysseus, dass sie nicht lange um mich trauern wird … Dann setzen wir unseren Kurs fort und das Boot des Odysseus verschwindet hinter uns am Horizont. Logbucheintrag: Haben zwischen Tripolis und Lampedusa einen neuen Bootstyp gesichtet: etwa 30 Tonnen, schwarz, hat die Form eines riesigen Sarges, das Deck wie ein Deckel aufgeklappt, vollbeladen mit hunderten Menschen. Später funkt Odysseus von seinem schnellgeruderten Boot, er sei bei einer Kalypso hängenge blieben, auf deren Felsen Ogygia, von dort beobachte er neue Himmelskörper, nach denen sich jedoch nicht navigieren lässt, die aufsteigen von stählernen Flößen im Meer, sich rasch gegen die Küste bewegen und feurige Explosionen bewirken, heller als die Sonne, er folge dem Schein der Feuer am Horizont, dort, wo das Land der Lotophagen liegt, der Blütenfresser und wo eben ein Aufstand gegen den König tobt, der Menschen auf den Straßen niedermachen lässt. Unbehagen/im Land der Lotophagen, sind denn alle high, fragt er, welchen Krauts Blüte ist es, von dem dieses Land den Namen hat? Aber jetzt hänge er erst einmal fest bei dieser Nymphe Kalypso, funkt O., ein Gott müsse erst kommen, die Gute zu bewegen, ihm sein Boot wieder freizugeben. Heute geht das einfacher: SMS senden und Beziehungsstatus im Facebook ändern. Circes navigatorische Anweisungen lauteten: Vor dem rauchenden Vulkan habe man sich zu entscheiden: südlich sich zu halten für den längeren Weg um Sizilien oder südöstlich zu jener Meerenge, die OCEAN7 06/2016 21

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