OCEAN7Revier es aber an Bord des Hausbootes natürlich auch gibt. Ich spaziere die kleine Marina der 100-Seelen-Gemeinde entlang und bleibe vor einer großen Barke stehen. Ein Ehepaar bessert die Bordwände mit Farbe aus. Gay und Ann leben seit zehn Jahren auf der Aurora, einem ehemaligen Transportschiff, das innen ausgestattet ist wie ein kleines Landhaus, gusseiserner Ofen inklusive! Wieder auf dem Hausboot, fordern Schwäne auf der Plattform schnatternd ihren Tribut. Sie bekommen irisches Brot, das ebenfalls zum „tea“ gereicht wird – mit gesalzener Butter. Weiter Richtung Mountshannon. Es hat aufgefrischt – Fleecepulli überstülpen, Regenjacken drüberziehen. Ein kurzer Regenschauer, und schon strahlt wieder die Sonne – Fleecepulli und Regenjacke wieder ausziehen. Das ist Irland: Wolken zum Anfassen nahe, Licht zum Niederknien schön. In der Ferne Segelboote – gesegelt wird gerne in diesem Land. Mehrere Yachtclubs säumen den Lough Derg („Lough“ ist übrigens das gälische Wort für Lake, den See, und „Derg“ für Rot, die Färbung des Wassers, verursacht durch Mineralstoffe aus den moorigen Böden des Umlandes. Plötzlich aufkommender Wind in Mountshannon verlangt uns zwei Anlegemanöver ab, ehe wir an Land können. Ja, man spürt und riecht den Atlantik hier bereits, der so gerne mit raschen Wetterumschwüngen auf sich aufmerksam macht. Also Fleecepulli wieder an, Regenjacke drüber – und 15 Minuten später alles wieder retour. Es stimmt: The wise man (and OCEAN Woman) always takes a coat – jedenfalls in Irland! 1 Life is like a cup of tea, it’s all in how you make it! In Portumna im Norden des Lough Derg lerne ich ein neues englisches Wort. „Glamping“, erklärt Dick Ridge, der Initator des Pod Umna Glamping Village, „ist eine Kombination von Glamourous und Camping.“ Als Seglerin verstehe ich sofort, was gemeint ist. Für alle, die zwar gerne die Natur, das Wohlige und Urige am Campen mögen, aber nicht die Ameisen, den Regen und schlechte Liegematten, stehen in Dicks Garten einige „Eco Pods“ zur Verfügung: schnuckelige Holzhäuschen wie kleine Waben – oder sagen wir einfach Kojen. Sollten also einige Segler einmal Sehnsucht nach Landurlaub haben, ist das durchaus eine gemütliche Alternative. Gekocht wird in der Gemein- 3 2 16 OCEAN7 06/2016 | November/Dezember 2016
Irland/Midlands xxxxxxx schaftsküche, es gibt Fahrräder, um durch die Gegend zu strolchen und ein Pub gleich ums Eck. Und selbstverständlich Tee. Mit Scones und Marmelade, irischer Butter und einem Klecks Schlagobers. Nicht die Engländer, sondern ihre irischen Nachbarn sind die wahren Europameister im Teetrinken – der Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 4,6 Kilo im Jahr. Wenig über - raschend wird in Irland daher auch nicht aus dem Kaffeesud, sondern aus den Teeblättern gelesen – Jeannette aus Galway blickt sogar online in die Teetassen. Ob „The Great Irish Famine“ – die große Hungersnot der 1850er Jahre – vorausgesagt wurde, bleibt offen, sichtbar sind die Nachwirkungen bis heute. Workhouses, die Armenhäuser jener Zeiten, geben Einblick in die harten Zeiten einer Insel, deren geschichtliche und politische Entwicklung stets Zündstoff für Macht- und Glaubenskämpfe war und teilweise ja noch ist. Sláinte! Tuckert man mit dem Hausboot vom Lough Derg Richtung Norden den Shannon hinauf ins Städtchen Athlone, eröffnet eine einfache Lock dem Reisenden den Durchgang zum nächsten See, dem Lough Ree. Tipp: Unbedingt eine Nacht bleiben und im Sean‘s Pub, das angeblich über 1.000 Jahre alt sein soll, ein Glas Guinness genießen, während gleich neben dem Eingang auf der Langbank drei Musiker irische Lieder zum Besten geben. Schleusen? Gin and Tonic Locks! 6 4 Holy Cow! Als ich meinem Sohn Finn Fotos von der einzigartigen Klosterruine Clonamacnoise schicke, kommt postwendend die Message „Game of Thrones!“ zurück. Die Fantasy-Fernsehserie spielt in einer Welt des europäischen Mittelalters und fände hier einen idealen Drehort. Der Heilige Ciarán – im fünften Jahrhundert erst Zimmermann, dann Mönch, bekam das Stück Land geschenkt und befand es als guten Platz für ein Kloster. Mehrere Straßen führen hier zusammen und vor allem der Shannon als Wasserstraße machen die Infrastruktur perfekt. Absolut verkehrsgünstig gelegen (auch für Hausboote), entwickelte sich das Kloster mehr und mehr zu einer weitläufigen Anlage mit zahlreichen Kirchen, Rundtürmen und den berühmten steinernen Hochkreuzen. Ciarán selbst erlebte den großen Aufschwung aufgrund seines frühen Ablebens zwar nicht, aber offenbar hatte er eine Lieblingskuh. Denn im Skriptorium der Klosteranlage wurden zahlreiche Schriften gefunden, darunter „Das Buch der dunkelhäutigen Kuh“. Als Ciarán starb, kam der Haut dieses Rindviehs Fotos: Shutterstock (2) 5 1 Birr Castle: Streng privat! Der Schlosspark steht aber allen Besuchern offen. 2 Die Schlossherren: Lady and Lord Ross führen ihre Privatgäste gerne durch die Gemächer bis hin zur großen Ahnengalerie – im Speisezimmer. 3 Glückliche Enten am Lough Derg, dem Shannon-See im mittleren Westen Irlands. Glückliche Wanderer erkennt man an Fleecepulli und Regenjacke. 4 Glamour und Camping? Willkommen im „Glamping“-Village in Portumna. 5 Tea time: Frisch gebackene Scones mit Butter und Marmelade gehören dazu. 6 Tor zum Lough Ree: die Schleuse von Athlone, ein weiterer Gin and Tonic Lock November/Dezember 2016 | OCEAN7 06/2016 17
Veranstalter: 20.-23.10. 2016. BIOG
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