OCEAN7People Kurz darauf wurde Sam deportiert und Fernando war damit günstig zu einem Boot gekommen. Allerdings ohne Schiffspapiere, weil Sam auch keine gehabt hatte und damit die Herkunft des Schiffes eher undurchsichtig war. Fernando rief mich an und fragte mich, ob ich ihm bei der Beschaffung von Schiffspapieren helfen könnte, was ich verneinen musste. Zuerst verlegte er sein Boot in die Bucht von Carmen, um sich die Liegegebühren im Danao Ship Yard zu sparen, aber die Rechnung ging nicht auf. Wenige Tage später wurde sein neuer Besitz während eines Unwetters mit niemandem an Bord an Land geworfen. Fernando hatte keine Ahnung vom Segeln, begann aber langsam, Lehrgeld zu zahlen. Er ließ die Yacht bergen, in den Ship Yard zurückschleppen, damit war das Schiff wieder am alten Liegeplatz vertäut, den auch Sam vorher frequentiert hatte. 1 J. J. Neben meiner gewohnten Stelle am Strand in Tambobo lag seit fast zwei Jahren ebenfalls der Trimaran Evening Star, der ursprünglich einem amerikanischen Ehepaar gehört hatte. Als der Mann starb, kaufte ein französisches Paar der Witwe das Schiff ab. Jean Jacques hatte die vorherigen Eigner vor Jahren im Südpazifik mehrmals getroffen, kannte das Boot gut und verzichtete auf eine gründliche Inspektion, was aber ein gravierender Fehler war. Jean Jacques, allgemein J. J. genannt, ein sportlicher Endfünfziger, und seine etwas jüngere, ebenfalls französische Partnerin Cathy, segelten ab, kamen aber nicht weit. Der Hauptrumpf füllte sich Stunden später rapide mit Wasser und nur die beiden Ausleger verhinderten ein totales Absacken. Bevor es dunkel wurde, konnten sie ein Fischerboot alarmieren, welches das Wrack im Schneckentempo zurück in die Bucht von Tambobo schleppte. Evening Star lag vorerst am Strand, regelmäßig gurgelte das Wasser mit der Flut in den Rumpf und bei Ebbe lief es wieder raus. Das Unterwasserschiff war total verrottet, bei der ersten Belastung nach mehreren Jahren hatte der Mast nach unten gedrückt und den Rumpf anscheinend auseinandergequetscht. J. J. errichtete mehrere Sockeln aus Beton und Ziegeln, um sein Boot mit Hilfe von hydraulischen Wagenhebern aus dem Wasser zu stemmen. Eine Sisyphusarbeit, die nur langsam voranging, weil ja immer wieder Holzstücke untergelegt werden mussten, ehe der Trimaran wieder angehoben werden konnte. Die Reparatur überstieg das Können von J. J., aber er hatte Glück: Der Deutsche Schelmie auf seinem Wharram- Katamaran Vakataiea war gelernter Bootstischler und wurde mit der Reparatur beauftragt. Schelmie begann, in der faulen Materie zu wühlen, baute den Rumpf von unter wieder auf und beendete die Arbeit in einer Zeit, die jeden nur staunen ließ. Bald danach begann es zwischen J. J. und Cathy zu kriseln, die Streitereien schallten lautstark über die Bucht und sie 28 OCEAN7 05/2016 | September/Oktober 2016
Aussteiger auf den Philippinen trennten sich. Cathy wollte allerdings ihren finanziellen Anteil, den sie in das Boot investiert hatte, wieder zurückhaben, und als J. J. nicht einwilligte, verklagte sie ihn. Der Rechtsstreit zog sich in die Länge. J. J. arbeitete zwischenzeitlich am Schiff – es gab ja noch andere morsche Stellen –, aber sobald er eine repariert hatte, fand er eine weitere. Eines Tages hatte er die Nase voll, warf das Handtuch und flog nach Florida, um nach einem Gebrauchtboot zu suchen. Dort wurde er nicht fündig, aber in Tahiti erwarb er günstig einen alten Piver-Trimaran namens Kaoha, mit dem er ein Jahr später in Tambobo auftauchte. Kurz zuvor hatte der Richter Evening Star Cathy zugesprochen und sie hatte bereits einen Käufer zur Hand. Ich war an Deck von Taboo III, als sich J. J. und Cathy keine zwanzig Meter weit entfernt zum ersten Mal wiedertrafen: J. J. machte freundliche Nasenlöcher und wollte einlenken, kam aber damit an die falsche Adresse. Die Konfrontation schaukelte sich im Nu zu einer temperamentvollen französischen Schreierei ohne gemeinsamem Nenner auf. Cathy haute ab, sie lebte ja an Land, und J. J. fuhr zu seinem Boot zurück, war aber gleich wieder da und begann, Evening Star auszuräumen: Segelsäcke, ein Generator, Außenborder, Seile und andere Sachen türmten sich bald in seinem Beiboot, mit dem er abfuhr. Danach begann er, Winschen abzumontieren, Fallen auszuscheren und das brandneue Beiboot ins Wasser zu lassen. Zum Schluss wechselte er den Baum gegen seinen eigenen aus. Danach war ein ziemlicher Krach unter Deck zu hören, J. J. zertrümmerte in einem Wutanfall das Mobiliar, wie er mir später erzählte. Tags darauf kam Cathy mit ihrem französischem Freund Chris an und als sie Bescherung sah, paddelten sie gemeinsam zu J. J. hinaus. Chris drosch mit einem Metallteil auf den Trimaran ein, woraufhin J. J. ins Wasser sprang und das Beiboot mit den beiden zum Kentern brachte. Cathy schwamm an Land, alarmierte die Küstenwache und behauptete, J. J. hätte versucht, sie umzubringen. Die Coast Guard schwärmte aus, um den 2 flüchtigen J. J. festzunehmen, der sich mittlerweile im Wald versteckt hatte. Er erkannte aber bald die Aussichtslosigkeit seiner Situation. Die Coast Guard hatte sein Beiboot in Gewahrsam genommen, patrouillierte in der Bucht auf und ab und hielt ein Auge auf seinen Trimaran. Er konnte also nicht unbemerkt zurück. Also stellte er sich und wurde auf die Polizeistation in Siaton gebracht. Dort spielte er bald mit den Beamten Ping-Pong, obwohl er in einer Zelle eingesperrt hätte sein sollen, und sein Schäferhund, den er mitgebracht hatte, wurde auch gefüttert. Sein Rechtsanwalt löste J. J. zwei Tage später aus und er war wieder in Tambobo auf Kaoha. Allerdings hatte er jetzt unter anderem eine Klage wegen Mordversuches am Hals, was sicherlich übertrieben war. Erstens konnte Cathy schwimmen und zweitens das Beiboot nicht untergehen. Aber das sollte alles erst mühsam und zeitraubend vor Gericht geklärt werden. J. J. bat mich, einige Fotos für seinen Anwalt zu machen, um den Tathergang zu rekonstruieren und die Unsinkbarkeit des Beibootes zu beweisen. Auch war er war ziemlich deprimiert über seine momentane Situation und war sich nicht im Klaren, wie es weitergehen sollte. Ich sagte ihm, er hätte nur zwei Optionen: 1. Er bleibt in Tambobo, wird in einen jahrelangen Prozess verwickelt, der ihm absolut nichts bringen würde außer erhebliche Unkosten. Selbst wenn er wegen des Mordversuches frei ausgehen sollte, würde Cathy ihn sicherlich auf Schadenersatz klagen, ihr Käufer hatte ja bereits das Weite gesucht. 2. Er haut bei Nacht und Nebel mit seinem Schiff ab. Das Ausklarieren könne er vergessen, weil er wegen seiner Klage am Hals das Land nicht verlassen dürfe. Er könnte aber nie wieder auf die Philippinen zurückkehren. Damit wäre er seine Sorgen los und könnte das tun, was er ursprünglich vorhatte, nämlich segeln und neue Reviere entdecken. J. J. meinte, er würde sich das überlegen. Ein paar Tage später war sein Ankerplatz frühmorgens leer und er auf seinem Handy nicht mehr erreichbar. Er hatte anscheinend die Option 2 gewählt … 1 Der Franzose J. J. 2 Evening Star und Taboo III am Strand © Yachtfilm.com Yachtcharter- Weltweit Yachtverkauf Chartermanagement Ausbildung www.aichfeld-yachting.at www.salona-yachts.eu
Laden...
Laden...
Laden...
Follow Us
Facebook
Twitter