OCEAN7Revier Ganz entspannt reisen 1 noch im Alter unseres „Schiffsjungen“ war. Die Enkelin steht lässig mit dem Fender in der Hand an der Reling. Ihr Augenmerk liegt eindeutig nicht auf der behäbigen Pénichette. Mit 17 Jahren werden Anweisungen des Großvaters schnell überhört. Doch der packt sein seemännisches Urwissen aus. Motor an, im Leerlauf. „Wir regeln das nur mit den Leinen“, lautet die Ansage. Achterleine lösen, Bug fest belegt, dem Heck einen leichten Schwung gegeben, dazu die Strömung, es wandert aus, dreht Richtung Fahrrinne und dann zur Brücke. „Gleichzeitig ziehen wir den Bug und damit das Boot gegen den Strom“, erklärt der Skipper zuvor seinen Wende-Plan auf der ersten Hausboottour 2 3 seines Lebens. Und – er gelingt! Für ein Maschinenmanöver wäre es hier schon viel zu eng gewesen! Anschließend Vorwärtsfahrt und längsseits festmachen. Mit dem Vaporetto, dem venezianischen Wasserbus, wollen wir von hier aus schnell noch nach Venedig reinfahren, schon mal etwas abendliche Atmosphäre schnuppern. Ein kurzer Gruß zu unserem Skipper, er hat jetzt endlich Pause, und ab nach Venezia. Ganz entspannt auf die Lagune schauen, das Navigieren anderen überlassen und sich dabei das erste Flach für die Weiterfahrt merken. Es ist Niedrigwasser, bis zu 1,50 Metern kann die Tide betragen. Die große Salzwiese ist trocken gefallen. Reiher stolzieren auf ihr umher, Stockenten fliegen auf. Hemingway hat es geliebt, sie hier zu jagen. Und dann Paläste anschauen, sich in Sackgassen verlaufen, Brücken erklimmen und die Erkenntnis, dass es nie einen direkten Weg in dieser Stadt gibt. Die Sehenswürdigkeiten Venedigs heben wir uns für den nächsten Besuch auf. Der Skipper wird dann der ideale Stadtführer sein. Seinem Orientierungssinn kann selbst die Serenissima kein Schnäppchen schlagen, das hat er schon auf dem Wasser wieder bewiesen. An das „Straßenwirrwarr“ innerhalb der Lagune, sprich die Kanäle und Fahrrinnen, muss man sich erst gewöhnen. Wie die Navigation, die Orientierung funktioniert, hatte Laura von der Charterfirma schon vor der Bootsübergabe in Chioggia erklärt. Hier liegen all die zu mietenden Hausboote in einer Reihe an der Hafenmole der Laguna di Lusenzo zwischen Chioggia und Sottomarina. Davor ein großes Schild, das darauf hinweist, dass diese Boote ohne Führerschein zu chartern seien. Allzu schwer kann es also nicht sein, sich mit seinem schwimmenden Heim zurechtzufinden. 28 OCEAN7 05/2015 | September/Oktober 2015
Italien/Lagune von Venedig Genau dabei helfen die hölzernen Dalben. Sie stehen wie Leitpfosten am Rande des Fahrwassers. „Es sind immer drei Pfähle, die mit Ringen zusammengefasst sind. Ihre Spitze mit kleinen weißen Plaketten zeigt zur Fahrrinne. Mal stehen sie nur auf einer Seite, mal begrenzen sie beide Seiten“, erklärt Laura die Navigation. Klingt einfach, ist es auch. Was mit Spitze gemeint ist, erkennt man rasch, wenn man so eine Briccola sieht. Zum Fahrwasser zeigende Nummern helfen hin und wieder zusätzlich weiter und erleichtern es, auf der von Rendez-vous fantasia herausgegebenen Karte zu erkennen, auf welcher Höhe, an welcher Ecke man sich befindet. „Und dann gibt es noch die ,Dama’”, geht es mit der Einweisung weiter. In der Mitte der drei gleichhohen Pfähle schaut da noch ein vierter höherer heraus, was das Pfostenbündel mit etwas Fantasie wie eine langberockte Dame aussehen lässt. Sie steht an Wegkreuzungen. Auf dem Weg von Chioggia hinauf nach Norden fiel es noch schwer, sich an der ersten „Kreuzung“ zurechtzufinden, selbst dem nautischen Pfadfinder am Steuer. Raus aus dem schmalen Kanal, vorbei an einer der größten italienischen Fischereiflotten. Der dortige Fischmarkt ist ein wahres Paradies für jeden Gaumen, ebenso wie die Spaghetti vongole in der kleinen Bar gleich nebenan. Die Marina an Backbord lassen und dann geradeaus den Bocca di Porto di Chioggia queren, eine der drei Öffnungen der Lagune hin zur Adria. Mit fünf Knoten über die Breite, schneller sollen wir nicht und viel mehr gibt die Maschine auch nicht her. Ein Frachter naht von Steuerbord, dann endlich säumen wieder die Briccole den Fahrwasserrand. Dahinter ist es flach. Ein Fischerboot pendelt an einem Dalben, der Fischer stapft durchs knöcheltiefe Wasser, Muscheln sucht er, fürs Abendbrot und für den Markt. Langsam tuckern wir an der langgezogenen schmalen Insel Pellestrina entlang, verlockend in ihrer Ursprünglichkeit und scheinbaren Unberührtheit. „Es ist so entspannend und ich war wirklich skeptisch am Anfang. Hausbootfahren – wie Camping kam mir das vor“, kommentiert der Skipper inzwischen sein neues temporeduziertes Dasein. Früher musste es rauer für ihn als Segler zugehen. Doch bei fünf Knoten ist nichts wild und unberechenbar sind höchstens der nächste Liegeplatz oder der Verkehrsknotenpunkt, dort, wo der ruhige Canale Orfano im östlichen Teil der Insel Venezia in den Canale di San Nicolo mündet. Zahllose Vaporetti, die Ambulanz, Ausflugsboote, ein Schwimmkran – es ist ein Hetzen und Jagen und wir mittendrin. Größer könnte der Kontrast zu den ruhigeren Seitenkanälen und den Inseln wie Pellestrina, dem südlichen Lido oder eben Le Vignole nicht sein. Und so ist ein Törn durch die 550 Quadratkilometer große Lagune von Venedig so abwechslungsreich wie in kaum einem anderen Revier. Fast Forward gegen Slow Motion, Rennrad gegen Hollandrad, Abfahrt gegen cross country. Immer wieder die Leinen loswerfen und zum nächsten Ziel tuckern. Auf durchs Gewühl, die Sirenen heulen auch auf dem Wasser. Stadtluft soll es sein. Venedig, wir kommen und zwar auf dem eigenen Kiel. Der passende Liegeplatz findet sich auf San Elena, der östlichsten Insel der Stadt, im Fuß- beziehungsweise Brückenbereich zur Altstadt. Die Marina Saintelena wurde vor einem Jahr eröffnet, die ersten Planungen erfolgten allerdings bereits vor 30 Jahren, auch heute ist noch nicht alles fertig. Man liegt hier trotzdem perfekt, ruhig und in einem ursprünglichen, aber grünen Stadtteil von Venedig. Nebenan gleich das Fußballstadion mit zugemauertem Eingang zur Südkurve, Kirche und Militär. Fratelli d‘italia erklingt, die Nationale wird eingeholt. Die Tagesgäste ziehen sich aus Venedig zurück, doch wir können bleiben. Eine halbe Stunde Fußweg und schon sind Rialtobrücke und Markusplatz erreicht. Gondeln schwappen schmatzend am Ufer des Bacino de San 4 Marco. Gondoliere posen für die letzten Fotos, ein kräftiges „O sole mio“ hallt hinter der nächsten Ecke hervor – schön kitschig, so wie es sein soll. Weiter wieder durch stille Kanäle, vorbei an San Erasmo, der größeren der beiden Gemüseinseln. Am Ufer hat sich eine kleine Herrenrunde versammelt. Pranzo unter freiem Himmel, karierte Tischdecke und beschlagene Weißweingläser. Man prostet uns zu. 5 Knoten Fahrt. Auf der Karte steht eine DIN A4- Seite für eine Stunde Fahrt, noch eineinhalb Stunden bis Burano, der bunten Insel der Spitzenklöppler. Wieder ein Wendemanöver vor niedriger Brücke. Diesmal leitet es der Skipper früher ein, wendet zackig und liegt schon fest. Muschelfischer kehren 1 Locaboat Hausboote auf Mazzorbo 2 Paketbote von DHL 3 Am Steuerstand 4 Lagunenblick
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