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OCEAN7 2013-06

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Spannende Begegnung weit ab der Zivilisation. Wolfgang Hausner beschreibt unter dem Titel "Mörder, Säufer, Weltumsegler" die Szene der Aussteiger und Lebenskünstler auf den Philippinen. Außerdem: Inseln, Buchten & Visionen: Eine OCEAN7-Reportage aus dem Revier zwischen türkischer Küste und griechischen Inseln.

OCEAN7People Eine brisante Mischung aus Sex, Intrigen und Eifersucht 1 mehr zu tun haben und baute momentan einen Trimaran, auf dem kleine Segel auf den Auslegern angeordnet waren. So je vier auf einer Seite. Momentan arbeitete Delfin an der abwegigen Kons - truktion. Ich sprach mit Vladimir und sagte ihm, dass Delfin ab nächster Woche bei mir arbeiten würde, warum lange herum - fackeln? Aber Vladimir lehnte glatt ab, sagte aber, wenn ich ihn freundlich fragen würde, wäre das möglich. Also schluckte ich erst einmal runter und fragte ihn auf eine nette Art und Weise. Ja, wie lange, wollte er wissen? Naja, einige Wochen schon, meinte ich. Gesagt, getan, Delfin wurde bei mir tätig und die Zeit verstrich im Nu. Nach einigen Wochen kam Vladimir vorbei und fragte, wie es so ging. Alles in Ordnung, aber ich würde Delfin noch etwas länger brauchen. Das nächste Mal wiederholte sich das Spiel. „Ich dachte, Deutsche lügen nicht”, sagte Vladimir. „Moment, ich bin Österreicher”, erwiderte ich. Nicht, dass mir das eine Berechtigung zu lügen gibt, aber ein paar Wochen sind ein dehnbarer Begriff und manchen Leuten will es einfach nicht in den Kopf gehen, dass ich Delfin als meinen Tischler betrachte, der nur woanders arbeitet, wenn ich nicht in Tambobo bin. Mark hatte inzwischen Lee kennengelernt, ein nettes Mädchen, das nicht aus einem Nachtclub stammte. Was man immer betonen muss, da viele Ausländer nur dort aktiv sind und sich wundern, wenn es dann nach kurzer Zeit nicht klappt. Mark beschäftigte jetzt einen anderen Tischler, aber Nelson hatte Glück, überhaupt noch am Leben zu sein. Vor kurzer Zeit hatte Mark für das Antifouling sein Schiff auf den Sandstrand gesetzt, aufrecht und abgestützt, um rundherum bei Niedrigwasser arbeiten zu können. Wie es passierte, ließ sich nicht mehr herausfinden, aber die Kielyacht kippte plötzlich ohne Warnung um. Nelson ließ den Farbtopf fallen und rettete sich mit einem gewagten Hechtsprung. Nur sein Bein wurde geringfügig erwischt, aber das war eindeutig besser als flachgedrückt zu werden wie ein Pfannkuchen. Weniger gut ging es dem hölzernen Dingi, aber das Schiff selbst hatte keinen Schaden davongetragen. Viel Lärm. Lee machte im Laufe der Zeit keinen glücklichen Eindruck, Mark benutzte sie als Arbeitstier, sie musste Wasser in 20-Liter-Behältern heranschleppen, Schleif- und andere Arbeiten am Schiff verrichten. Außerdem ließ er nichts für sie springen. Er war ja die Knausrigkeit in Person. Lee machte im Gespräch mit anderen Mädchen, die auf anderen Booten beschäftigt waren, Bemerkungen über den spärlichen Sex. Da werden ja alle Themen unter der Sonne bequatscht und Sex steht ganz oben auf der Liste. Aber noch trommelte sie mit Mark um die Wette, er hatte einige Zeit in Afrika zugebracht, um sich in die Kunst dieser lautstarken Betätigung einweisen zu lassen. Auch besaß er mehrere Trommeln in diversen Größen, die relativ viel Platz an Bord einnahmen, einige davon selbst aus einem besonderen Holz geschnitzt und mit Ziegenfell überzogen – aber so hat eben jeder seine Prioritäten. Wenn dann die beiden so richtig in Fahrt waren, unterstützt von weiteren Freiwilligen, die sich die Hände wundschlugen, hörte sich das an wie ein drohendes Gewitter. Das war selbst den Einheimischen zu viel. Sie erreichten beim Barangay Captain, dem Dorfhäuptling, eine Verfügung, dass ab 10 Uhr abends nicht mehr getrommelt werden durfte. Dasselbe tat Karl Jahre zuvor, als ihn die nahen Karaoke-Buden mit den übergroßen Lautsprechern endlos nervten. Aber auch die Trommelei fand ein Ende. Marks Mutter starb und er musste von heute auf morgen nach England, um sich um das Erbe zu streiten. Leider gab es da noch einen Bruder, der die Mut- 2 30 OCEAN7 06/2013 | November/Dezember 2013

Typen auf den Philippinen 3 ter und den Bauernhof jahrelang betreut hatte und jetzt glatt Ansprüche stellte. Seitdem ist Mark schon seit über einem Jahr abgängig. Lee wurde der Warterei überdrüssig, lernte einen Norweger kennen und verschwand mit ihm auf Nimmerwiedersehen. Tod des Säufers. D.J. vegetierte auf seinem eingebuddelten Kat dahin und warf eines Tages das Handtuch, was niemanden überraschte. Verwunderlich war eher, wie lange seine Leber dem ständigen Alkoholansturm standhalten konnte. Er war noch nicht unter der Erde, als Nigel die See-Reling aus Edelstrahl abmontierte, um D.J.s Saufschulden bei ihm teilweise zu kompensieren. Nigel ist ebenfalls Engländer um die sechzig, der einen kleinen Resort ein paar hundert Meter weiter betreibt. Kurz nach D.J.s Ableben begann sein Birthday Girl zu schrumpfen. Zuerst wurden die Seitenwände aufgeklappt und gaben das von Termiten zerfressene Innenleben dem Tageslicht preis. Dann verschwanden so langsam Sachen, die man normalerweise gegen Entgelt hätte entsorgen müssen, aber hier neue Besitzer glücklich machten. Sozusagen eine Art von Recycling, typisch für die Philippinen, wo nichts weggeschmissen wird. Mit noch brauchbaren Teilen des Wracks wurden Fischerboote ausgebessert und der Rest und Mobiliar fanden als Brennholz Verwendung. Zum Schluss ragte nur mehr ein kleiner Teil aus dem Sand, aber auch der wird bald verschwunden sein und dann wird nichts mehr an D.J. erinnern. Arlene betrieb wie immer ihr Restaurant, allerdings im Alleingang, ihr Boyfriend saß seit Monaten im Knast. Er und/oder sein Bruder hatten jemanden umgebracht und die betroffene Familie glatt die Behörden eingeschaltet. Wochen später war er wieder frei. Wie das ablief, weiß keiner – aber was soll’s auch. Eines Tages kam ich dort an Land, Arlene lehnte in der Nachmittagssonne auf der Bank nahe der Straße, während sich ihr Baby wie ein Blutegel an einer ihrer prallen Brüste festgesaugt hatte. Der Einfachheit halber hatte sie sich ihres T-Shirts total entledigt und verwickelte mich so in ein Gespräch. Dieses Gehabe ist absolut nicht üblich auf den Philippinen, ich kam mir vor wie in Papua-Neuguinea vor 40 Jahren. Nach den ersten Probeschlägen und erfolglosen Versuchen über Stag zu gehen hatte Michael wieder Arbeit für die nächsten Monate. Er setzte den Kat auf den Strand und begann, das Heck strömungstechnisch zu verbessern. Damit wurde das Schiff und das gerade Unterwasserprofil zwar um einen Meter länger, aber die Ruder blieben unverändert und damit auch das Segelverhalten, außer dass der Kat jetzt noch besser geradeaus laufen würde. Die Verbesserungen gingen nur zäh voran, es konnte ja nur bei Niedrigwasser gearbeitet werden. Es gibt natürlich nicht nur ausgeflippte Typen in Tambobo, sondern auch normale Segler, die zwar auf viele Seemeilen zurückblicken können, aber das war es dann auch schon. Manchmal habe ich das Gefühl, je mehr ein Langtörn bis ins letzte Detail geplant wird, desto weniger Interessantes passiert dann auch. Lothar gehört in diese Gruppe, sein kurzer Aufenthalt in Tambobo war zu bizarr, um nicht erzählt zu werden. Heraus sticht allerdings die Vakataiea mit Hans und Isabelle. Er kam ursprünglich aus Deutschland, sie aus Frankreich, beide hatten ihr eigenes Boot über den Pazifik gesegelt und trafen sich in Neuseeland. Gemeinsam bauten sie einen Wharram Tiki 46-Katamaran, sind seit 2009 mit dem Krebsscherensegler unterwegs und weilen momentan auf Madagaskar. Hans erinnert mich sehr an meine Lebensweise vor mehr als vierzig Jahren und eine Generation von Seglern, die langsam ausstirbt. Männer, die der modernen Welt den Rücken kehren, eine einfache Lebensweise auf dem Meer finden und auf der Suche nach Abenteuern sind. 1 Die Trommelei war wie ein nahendes Gewitter 2 Bei Schlechtwetter füllt sich auch die innere Bucht 3 Wie eine Sardinendose aufgeklappt November/Dezember 2013 | OCEAN7 06/2013 31

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