OCEAN7Revier sind, doch jedes Mal, wenn ich versuche zurückzukommen, ertönt vom Bug wieder die Warnung „Felsen!“. Wir müssen beim Hereinfahren nur Meter vom Riff entlanggefahren sein, ohne zu ahnen, wie nah die Gefahr war. Wir inspizieren später Pitufas Kiel. Es ist nichts passiert, doch von diesem Moment an sind wir noch vorsichtiger unterwegs, versuchen Ankerplätze nur bei idealen Bedingungen anzulaufen – sprich mittags bei blauem Himmel, was in der Regenzeit nicht allzu oft vorkommt. Trotzdem wollen wir unbedingt einige Kuna-Dörfer im Süden besuchen, denn da dort nicht so viele Touristen hinkommen, läuft das Leben in den Dörfern noch weithin traditionell ab. Die Familien leben in kleinen Strohhütten, es gibt keine Elektrizität, der Trend geht aber zum Zweit- oder Drittkanu – selbst die Kleinsten sind schon alleine unterwegs. Doch auch unsere ersten Eindrücke 1 2 3 einer abgelegenen Ankerbucht. Die finden wir in der weiten, mangrovengesäumten, von üppig bewaldeten Hügeln umgebenen Bucht von Puerto Escoces. In dieser Bucht gibt es keine permanente Siedlung, aber ein paar Hütten, die von Einwohnern des nahe gelegenen Dorfes Mulatupu genutzt werden, wenn sie zum Fischen oder zur Arbeit in den Gärten vorbeikommen. Hier freunden wir uns mit einigen Fischern an und lernen die gastfreundliche Seite der Kuna kennen. Noch in der Bucht laden sie uns zum Langustenessen ein – ein ganz besonderes Erlebnis, wenn das Abendessen in riesigen Töpfen über dem offenen Feuer zubereitet wird. Als wir eine Woche später vor dem Heimatdorf der Männer ankern, werden wir wie alte Freunde begrüßt, nach Hause eingeladen und haben die Gelegenheit, hinter die Fassaden der Strohhütten zu schauen. So ganz verschont sind die Kuna von der Zivilisation nicht geblievon den Kuna-Indios fallen zwiespältig aus, wir fühlen uns nicht als willkommene Besucher, sondern als sprudelnde Dollarquelle: Ankergebühr 5 Dollar, Besuch im Dorf 3 Dollar, 1 Dollar pro Foto – die Kuna sind geschäftstüchtig und jeder versucht, aus den Fahrtenseglern ein wenig Gewinn herauszuschlagen. „Hola Pitufa!“ tönt es aus den Kanus – die meisten Kuna sprechen Spanisch und wissen, dass eine „pitufa“ eine Schlumpfine ist, dementsprechend groß die Begeisterung. Wenn wir nicht sofort reagieren, wird ungeduldig an den Rumpf geklopft. Kokosnüsse, Plátanos (Kochbananen) und Fisch werden angeboten, manche Besucher fragen auch ganz unverblümt nach Geschenken. Die wichtigste Handelsware der Kuna sind aber „Molas“: Frauen, aber auch erstaunlich viele Transvestiten stellen diese Kunstwerke in tage- bis wochenlanger Arbeit her. Es sind aufwändige, mit der Hand genähte Tücher, die aus mehreren verschiedenfarbigen Stoffschichten ausgeschnitten und aufeinander genäht werden. Die Motive sind abstrakt, manchmal zeigen sie aber auch Tiere oder Szenen aus dem Dorfleben. Eine handwerklich hochwertige Mola besteht aus bis zu 6 Stofflagen, die Preise variieren zwischen 10 und 200 USD. Die Kuna selbst nähen die Molas auf ihre Blusen auf, geschäftstüchtige Künstlerinnen bieten Touristen auch Taschen, Kappen oder gar Schuhe mit aufgenähten Molas an. Besuch in der Bucht der Fischer. Nach einigen Ankerplätzen vor quirligen, überbevölkerten Dörfern ist uns nach ben. Viele junge Kuna verlassen die Dörfer, um in Panama City Geld zu verdienen, die traditionelle Dorfgemeinschaft, in der alles geteilt wird, bröckelt. Viele Dächer sind mit Solarpanelen verziert und sobald eine Familie einen Plasmafernseher in der Hütte stehen hat, vergiften Neid und Gier das Dorfleben. Die Bevölkerung wächst ständig, die Korallenriffe neben den Dörfern sind leergefischt und so müssen die Familien in den Einbäumen immer weitere Strecken zurücklegen, um noch Fische zu fangen. Immer noch wird jeglicher Abfall ins Meer geworfen, doch was Jahrhunderte mit Biomüll funktioniert hat, wird in Zeiten von Plastik schnell zum Problem. Es stimmt uns als Besucher traurig, dass die vielgerühmte traditionelle Kunakultur unter dem Druck von außen scheinbar an ihren Fundamenten bröselt. Man kann nur hoffen, dass Bildung und vernünftige Entscheidungen des „Congreso“ – Gemeindeversammlungen unter Leitung der Ältesten – die Entwicklung auf eine positivere Bahn lenken können. Nach einem Monat an der Festlandküste kaufen wir in einem Minimarket in einem Kunadorf noch einmal Basisproviant wie Reis und Mehl. Sehr groß ist die Auswahl in den kleinen Läden nicht, nur wenn ein kolumbianisches Handelsboot vorbeikommt, gibt es frisches Obst und Gemüse. In größeren Dörfern ist aber Benzin und manchmal sogar Diesel erhältlich. Anschließend motoren wir zu den weiter draußen vorgelagerten Inseln der Comarca de Kuna Yala. Motoren deshalb, weil in der 28 OCEAN7 05-2013 | September/Oktober 2013
Kuna Yala Traumhafter Strand auf einsamer Insel 4 Regenzeit von Juni bis November zwischen den Gewittern meist Windstille herrscht, was bei den geringen Distanzen zwischen den Ankerplätzen aber kein Problem darstellt. Coco Bandero, Holandes Cays, Lemon Cays – im glasklaren Wasser sind die Riffe plötzlich keine bedrohlichen Schatten mehr, sondern bunte Unterwasserparadiese, in denen sich endlich wieder Fische tummeln. Hier stimmen auch die Karten ganz genau, trotzdem lassen wir die Ankerplätze mit den engsten, seichtesten Einfahrten aus – Pitufa hat voll beladen einen Tiefgang von ca. 2,2 Metern – es stehen auch so noch genug zur Auswahl. In der Trockenzeit ist hier Hochsaison, dann pfeift der Passat stetig über die Inseln, Kitesurfer fetzen durch die Buchten und man bleibt von Moskitos und „No-see-ums“ („nicht-seh-sie’s“, winzige, beißende Mücken, die auch durch Moskitonetze klettern) verschont. Dafür sind die Buchten dann vollgepackt mit Yachten und riesige Kreuzfahrtschiffe lassen tausende Gäste auf die Inselchen los. In der Regenzeit liegen nur wenige Boote vor Anker, wir haben viele Buchten ganz für uns alleine. Am Vormittag ist es meist strahlend blau, gegen Mittag ziehen dann Kumuluswolken über dem Festland auf, am Nachmittag geht oft ein Gewitter nieder. Uns ist diese Mischung ganz recht, wir spannen große Regenauffangplanen auf, haben immer volle Tanks, waschen täglich Wäsche und genießen ausgiebiges Duschen. Am Wochenende kommen Kunas in Kanus oder „Lanchas“ (offene Boote mit starken Außenbordern) vorbei und verkaufen Molas, aber auch Eier, frisches Gemüse, Obst und sogar Bier. In den Coco Banderos nehmen wir jetzt erstmals das Wort „paradiesisch“ selbst in den Mund. Wir liegen zwischen drei kleinen, palmenbewachsenen Inselchen in einem dunkelblauen, 15 Meter tiefen Kanal. Rund um uns steigen Riffe an und das Wasser glitzert in allen Schattierungen zwischen azur, türkis, grün und hellbraun. Alle Inseln sind von weißen Sandstränden umgeben, das Wasser am Ufer leuchtet dementsprechend in kitschigem Pastellblau und -grün. Wir sitzen auf Deck, schwelgen im Farbenrausch und sind schlichtweg begeistert. Beim Schnorcheln an den Korallenriffen treffen wir Ammenhaie, Adlerrochen und Barrakudas. Nach einem Monat „Urlaub“ auf diesen Inseln müssen wir weiter, denn es gilt noch viel zu erledigen. Den dauerverregneten November verbringen wir in der Bucht von Portobelo, am panamesischen Festland mit Wartungsarbeiten, Reparaturen und dem Organisieren von Unmengen von Ersatzteilen. Bald wartet das nächste Abenteuer auf uns, bevor wir uns auf den Pazifik hinauswagen können: der Panamakanal. www.pitufa.at 1 Zum Langustenessen eingeladen 2 Mola-Verkaufsverhandlungen 3 Kaufrausch – kolumbianische Händler versorgen die Kunadörfer 4 Inselausflug 5 Ausschau nach Kanälen durch die Riffe 6 Wasserauffangplanen sorgen für immer volle Tanks 5 6 September/Oktober 2013 | OCEAN7 05-2013 29
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