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OCEAN7 2013-04

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Diese Ausgabe von OCEAN7 ist dem Schwerpunktthema Jugend und Segeln gewidmet. Ein Rentner schildert in einer spannenden Reportage, wie er per Anhalter um die Welt gesegelt ist. Und OCEAN7-Redakteur Gernot Weiler besuchte eine Regatta mit klassischen Schiffen auf den British Virgin Islands.

OCEAN7People in einem Hotel mit europäischem Standard – das wäre mir keine Reise wert. Francesco ist mir ein redlicher Fremdenführer. Er macht das selbstverständlich als Amateur. Er weiß viel von den Menschen hier, aus der Sicht eines gebildeten Menschen, der die Insel liebt und hier so bescheiden leben muss wie alle anderen, die den Anschluss ans große Geld nicht bekommen. Auch er wäre gerne nach Martinique mitgesegelt. Die Menschen hier wollen weg – und haben wenig Chance. Da komm ich mir als Europäer schon sehr privilegiert vor. Segler, kommst du nach Sal, frag’ nach Francesco, dem Italiener. Du wirst einen originellen, originalen und interessanten Führer bekommen! Die Bucht vor Palmeira. An der Westküste von Sal, etwa in der Mitte, liegt die Bucht vor Palmeira, wo sie alle noch mal vor Anker gehen, ehe sie über den Atlantik segeln. Vor einer Baracke stehen ein paar Tische. Da gibt es etwas zu trinken und mal auch kleine Häppchen zu essen. Ich treffe hier auf alte Bekannte: Anneliese und Harald aus Niederösterreich. Die beiden hatte ich in Las Palmas am Steg angesprochen wegen Mitsegelns – ist aber nichts geworden. Den Günther und seine Partnerin, beide aus Deutschland, habe ich zuvor auf La Gomera getroffen. Ernst und seine Frau, beide aus Österreich, kenne ich von gestern und von vorgestern. Der E., eine Frohnatur aus dem Pongau, fehlt. Gestern hat er noch recht froh getrunken, heute ist er krank. Dagmar, Gerald und die drei Kinder verlassen das Boot. Arnd ist eingetroffen. Wir beide beginnen uns einzuschiffen. Über den Atlantik. Es sind 2.200 sm nach Martinique, immer schön auf Kurs 267°. Wir rechnen mit 1 bis 1,5 Knoten Strom zu unseren Gunsten. Bei 6 Knoten Fahrt über Grund dauert das 15,28 Tage. Arnd hat eine Woche vorgesehen zum Klarmachen des Schiffes. An den letzten Tagen kaufen wir Proviant ein. Wir bunkern 300 Liter Wasser, mit dem Schlauchboot von Land holend, jeweils 75 Liter in neun kleinen Kanistern. Das zieht sich einen ganzen Tag hin. Bei diesem Arbeiten Hand in Hand – so empfinde ich – lernen wir uns kennen, wir bekommen ein Gefühl dafür, was wir einander zutrauen können. Ich freue mich schon auf den Moment des Auslaufens, auf den Moment des Ankommens und auf die Zeit dazwischen. Weil ich aber versuche, vorwiegend im Augenblick zu leben, freue ich mich jetzt am Anblick der sinkenden Sonne, der schmalen Mondsichel, knapp darunter die Venus, am Schnurren des Windgenerators, am Schaukeln des vor Anker liegenden Segelbootes, am stetig mit Windstärke 5–6 wehenden NO-Passat. Der Wind soll in den nächsten Tagen etwas nachlassen. Die Luft hat am Morgen nur 15 Grad und kommt gegen Mittag auf 20. Ich tauche das Schiff ein wenig ab und spüre: Das Wasser ist 18 °C kalt – wie die Donau. Es zieht sich hin. Arnd möchte am Freitag noch auf den Mast hinauf. Am Samstag ist ihm der Schwell zu stark. Am Sonntag hat er frei, sagt er. Es zeichnet sich ab, dass wir erst am Dienstag fahren werden, vielleicht aber auch erst am Mittwoch. Arnd schaut auf der Mastspitze nach dem Rechten und in die Tiefe. „Freust du dich?“ fragt Arnd, als wir uns anschicken, den Anker zu 2 32 OCEAN7 04-2013 | Juli/August 2013

Volkmar Baurecker lichten. Es ist Mittwoch, der 3. Februar 2009. Zu Mittag verlassen wir die Bucht von Palmeira auf der Insel Sal und steuern mit Kurs 267° auf der kurskonstanten Loxodrome nach Martinique in der Karibik. Es geht uns gut an Bord. Wir sind etwas langsamer unterwegs als erwartet. Der Grund dafür ist der Passat. Er weht nur mit 2–5 Beaufort, anstelle der erwarteten 6. Außerdem wechselt er die Richtung. Im Norden hat es eine schwerere Störung gegeben. Arnd ist enttäuscht: „Das soll der Passat sein?“. In den Büchern sei das immer anders beschrieben. Ich lese zu meinem Glück wenig – und bin störungsfrei glücklich. Wir wachen im Sechs-Stunden-Takt. Wer Wache hat, ist zuständig für die Segel, dass sie gut stehen, dass das Schiff auf Kurs bleibt und mit möglichst nichts kollidiert. Steuern tut grundsätzlich das „Kleine Helferlein“. So bezeichnet Arnd seine Windfahnen-Steuerungs-Anlage. Das Helferlein braucht manchmal Erste Hilfe, meist dann, wenn der Wind seine Stärke ändert. Einmal umschwärmt uns ein gutes Dutzend Delfine, ein andermal sind es wohl über zwanzig. Ein Entenwal begleitet uns fünf Minuten lang. Jeden Morgen besucht uns eine Möwe und beäugt uns. Ihr geben wir den fliegenden Fisch, der eines Morgens an Deck liegt. Einmal bekommt Arnd eine Goldmakrele an die Angel. Das gibt 1,2 kg Filet für uns. Nachts scheint der Vollmond hinterm Gewölk hervor. Das glänzt und glitzert im Kielwasser! Schwarz ist das Wasser an Back- und Steuerbord. Es geht mir wirklich gut. Eine Nacht-Wache. Um 2100 UTC beginnt meine Wache. Ich stelle meinen Wecker auf 20 Minuten, denn das ist die Zeit, bei der man einem nahenden Schiff noch ausweichen kann. Dann lümmle ich mich quer auf meine Koje und bin in wenigen Sekunden in traumlosem Tiefschlaf. Mit dem Summerton steh’ ich auf, stell’ den Wecker ab und neuerlich auf 20 Minuten ein. Dann schau ich nach draußen, ob ein anderes Schiff zu sehen ist, was aber seit fünf Tagen nicht vorkommt. Wie steht das Vorsegel? Stimmt der Kurs? Alles klar. Hinab in die Heckkabine, auf die Koje gelümmelt. Und sacke augenblicklich in den Tiefschlaf. Ich fühle mich richtig gut. Um 3.00 Uhr endet meine „Wache“. Ich schlüpfe in meinen wunderschönen Seidenschlafsack, bette mich in den schmalen Spalt zwischen dem Paket mit dem Beiboot und der Schiffswand. Das Beiboot verhindert, dass sich der rollenden Bewegung des Schiffes eine rollende Bewegung meines Körpers überlagert. Ich stelle den Wecker ein letztes Mal – auf morgen 8.45 Uhr. Nun liege ich ganz ruhig. Schlafen tu ich nicht. Sonderbar, schmunzle ich mir zu. Ich genieße die wechselnde Richtung der Schwerkraft und das Beschleunigen meines Körpers in wechselnde Richtungen. Ich spiele damit, mich mit Muskelspannung den Verlagerungen des Körpers zu wehren und dann wieder alles loszulassen – wie vollkommen das immer auch gelingen mag. Das erinnert mich wieder einmal an die Stunden beim Physiotherapeuten, der nach Feldenkrais-Methode Hand an mich legt. Hallo Stefan, sag’ ich zu ihm, schau, wie gut es mir geht! Und dann sind auch schon die Menschen von den Übungs-Abenden da. Und die Freunde aus der Breema-Gruppe scharen sich in meiner Kabine. Und alle sind sie auf einmal da, die mir jemals wohltätig gewesen sind in meinem Leben, an Kopf, Herz und Leib. Auch andere kommen, ein paar Ungustl’n sind auch dabei. Ich habe selbstverständlich gelernt, dass die Letzteren meine eigenen Schatten sind. Ich stecke sie zwischen Badeleiter und Außenborder in eine der dunklen Ecken, die man braucht, wo immer man wohnt. Die Schatten sollen auch ihren Platz haben, habe ich mir sagen lassen. Ich schau’ mir selber zu, wie ich immer noch nicht schlafe. Was da alles daher kommt an Gedanken! Von draußen dringt das Plätschern des Wassers herein. Die Selbststeueranlage rumpelt immer wieder einmal. Dann klopft es dreimal energisch, als ob jemand Einlass begehrte. Kommt aber niemand. Manchmal meine ich Menschenstimmen zu hören. Der Propeller des Windgenerators summt in wechselnden Obertönen sein Lied. Wellen schlagen ans Boot. Bläst da ein Wal? Der Wind saust in Segel und Rigg. Die Genua knallt und ruft nach Zuwendung. Es geht mich nichts an, jetzt hat Arnd Wache. Und dann summt der Wecker. Jetzt muss ich doch eingeschlafen sein, denn sonst würde ich ja nicht aufwachen können, beginne ich klare Schlüsse zu ziehen. Mehr Informationen, Termine, Vorträge unter www.segelnumdiewelt.at 1 Die Bucht von Palmeira 2 Hier gehen sie alle nochmal vor Anker, ehe sie über den Atlantik segeln 3 Wir verlassen die Bucht auf der Insel Sal 4 Arnd 3 4 Juli/August 2013 | OCEAN7 04-2013 33

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