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OCEAN7 2012-01

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Wunderland Türkei - eine ganz besondere Küste und außergewöhnlich gastfreundliche Menschen machen einen Segeltörn in diesem Revier zu einem unvergesslichen Erlebnis.

40 Das Abenteuer steigt

40 Das Abenteuer steigt auf die Bremse … 2 Irgendwie ist es wie immer, der Unterschied liegt im Detail. Das Wetter ist saukalt bis extrem mies, die Spur lässt sich nur schwer halten, darüber hinaus droht ständig Ungemach. Wir taumeln im Nieselregen und Ölzeug zwischen zwei Kontinenten herum und befinden uns auf ständigem Konfrontationskurs mit überladenen Sightseeing-Booten, die weder Kurs halten, und schon gar nicht vom Gas runter gehen. Die Strategie, sich bereits im Morgengrauen vom Acker zu machen, ist nicht wirklich aufgegangen, die Rush Hour hat voll eingesetzt. Neben Kleinkram wie Fischerzillen oder Sportbooten führt die türkische Kriegsmarine ihren Fuhrpark spazieren. Fette Lotsenboote pflügen durch die kabbelige See, dazwischen schleichen scheinbar unkontrolliert Metallberge und gigantisch große Öltanker umher. Das einzige was nicht ins Bild passt, sind die vielen Delfine, die sich in den Wellen köstlich unterhalten und witzelnd durch die Gegend springen. Der Bosporus ist der einzige Seeweg vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer, das bringt den permanenten Schiffsverkehr und als weiteres Zuckerl eine bis zu acht Knoten starke Strömung mit sich. Auf einer maximalen Ausdehnung von 2,5 Kilometern und der zehnfachen Länge kommt einem alles entgegen was schwimmt. Nur die Besegelung der mächtigen Wasserstraße ist verboten, was ohnehin kein Schenkeklopfer sein kann und uns angesichts des chaotischen Gewusels auch nie in den Sinn gekommen wäre. Die Szenerie verlangt ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und eine gehörige Portion Gelassenheit. Wir wissen nicht wo wir zuerst hinschauen sollen und leiden unter enormer Reizüberflutung. Ein Cruiser der Bosphorus Linie zwingt uns zu einem radikalen Manöver des letzten Augenblicks, wir decken 1

Service 41 3 das Ausflugsboot mit verbalen Nettigkeiten ein und werden von fröhlichen Asiaten dabei gefilmt, wie wir der Brücke den Vogel zeigen. Fünfzig Meter rechts von uns tobt der Straßenverkehr. Die Menschen hetzen in die Arbeit, den plärrenden Muezzin nimmt kaum einer zur Kenntnis. Wir winken zwei kichernden Mädchen zu, beschließen eine weitere Runde Kaffee einzuläuten und vertiefen uns in die Fachliteratur. Das was wir suchen, sollte diesmal einfach zu finden, denn im Unterschied zu den bisherigen Landgängen in der Türkei hat Istanbul tatsächlich eine Hafenmeisterei. Laut Handbuch ist diese nicht zu übersehen, aber blöderweise am Goldenen Horn und somit im absoluten Zentrum der 13 Millionen Metropole platziert. Wir finden zwar das Gebäude, aber keinen Liegeplatz, also verschieben wir das Einklarieren auf bessere Zeiten. Vier Stunden später kehren wir auf der Rückbank von Achmeds Fiat wieder zum Horn zurück. In der Hafenmeisterei untersucht uns ein Arzt, wir füllen zwei Fragebögen aus und bekommen nach der geglückten Gesundenuntersuchung den ersten von insgesamt vier Stempeln in unsere Papiere geknallt. Den Hafenkapitän finden wir ganz offensichtlich wo anders, vom Zollamt und der Wasserpolizei fehlt ebenfalls jede Spur. Und spätestens jetzt wird klar, dass das Einklarieren in diesen Breiten komplexer und nervenaufreibender ist, als die Weinachtseinkäufe auf der Mariahilferstraße. Und das mag was heißen. Elfe mit Pelz. Knapp zweitausend Donaukilometer, der Höllenritt über das Schwarze Meer und insgesamt fünf Wochen auf vier Quadratmetern spartanisch eingerichteter Wohnfläche hinterlassen zwangsläufig Spuren. Die Oberschenkelmuskulatur hat sich verdünnisiert, der restliche Körper ist geschunden, die Haut furztrocken und rissig. Die Barthaare hängen in den Mund, die Wollmütze klebt am Kopf, alles juckt und alles ist bestens. Wir sind auf Grund des bisher Erlebten und der Tatsache wirklich mit unserer Nussschale in Istanbul gestrandet zu sein mit Glückshormonen derart voll gepumpt, dass uns nichts und niemand in die Suppe spucken kann. Blöderweise ist die Ataköy Marina die einzige Möglichkeit dem Zentrum einigermaßen nahe zu bleiben. Also blättern wir in einem aus Edelholz geschnitzten Sekretariat stolze 60 Euro Mooringgebühr auf den Tresen und bekommen vom näselnden Krawattenträger zu hören, dass die Einklarierungsformalitäten nur mit Hilfe einer Agentur zu schaffen sind und zumindest 600 Euro kosten. Beides Informationen, die uns an den Rand der Selbstbeherrschung bugsieren und uns fassungslos den Hut nehmen lassen. In der benachbarten Agentur treffen wir auf einen Mann der englisch versteht aber nur türkisch spricht. Wir sind kurz davor Amok zu laufen, da spaziert die gute Fee, mit üppiger Brustbehaarung und dicker Havanna zwischen den Lippen, bei der 1 besser geht nicht. Zwischen blau und blau. 2 landgang. Zivilisierte Abwechslung. 3 istanbul. Gewaltig, wunderschön, bekömmlich anders. 4 mitten im leben. Mensch im Glück. 4

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