44 weder die gefühlten Null Grad noch der lästige Nieselregen sind unser eigentliches Problem, sondern der hartnäckige Nebel, der die Sicht auf 50 Meter einschränkt und das ungemütliche Tageserwachen in einen gespenstigen Rahmen presst. Der Wetterbericht, den uns der nette Hafenmeister bei der Verabschiedung in die Hand gedrückt hat, prognostiziert 10 Knoten Rückenwind und 35 Grad im Schatten. Geil – nur leider woanders. Bei näherer Betrachtung stellt sich nämlich heraus, dass die Vorhersage der hawaiianische Insel Maui gilt. Dass man bei der Windguru-Startseite für lokale Prognosen den jeweiligen Spot auswählen muss, hat sich in diesen Breiten offenbar noch nicht herumgesprochen und wieder kann ich nicht glauben, dass das wahr sein kann. Ist es aber. Als der Sulinakanal nach zehn Seemeilen ins Meer eintaucht, biegen wir rechts ab, der Wind ist moderat, kommt aber leider genau von vorne. Ebenfalls von vorne kommt eine Welle, die in Anbetracht der lauschigen Brise deutlich zu hoch ist. Nicht gut. Wir bleiben unter Motor und stampfen mit fünf Knoten Fahrt durch den Nebel, der sich zwar lichtet, aber noch lange nicht alles Preis gibt. Wir wollen nach Constanta, aber nicht unbedingt die allererste Nacht mitten am Meer und im Dunkeln verbringen. Zwei Dinge, die nach der ersten Hochrechnung nicht miteinander harmonieren. Da auf der 80 Seemeilen langen Strecke unter Land zwei Schutzzonen vermerkt sind, bleiben wir in Küstennähe. Das eine ist laut Hafenhandbuch ein Ponton, das andere die Mündung in einen See und beides wäre uns als Unterschlupf durchaus willkommen. Am Nachmittag frischt der Wind auf und dreht, wir pflügen mit gefierten Segeln und sieben Knoten durch die See, Honda hat Pause. Gegen 17.00 Uhr tauchen am mittlerweile nebelfreien Horizont die Umrisse des möglichen Schiffsanlegers auf. Wir surfen mit mittlerweile 20 Knoten Rückenwind darauf zu und registrieren bei näherer Betrachtung, dass es sich tatsächlich um ein Ponton handelt. Blöderweise gammelt das Ding am Strand herum. Parallel zur Welle gurken wir kopfschüttelnd und ein klein wenig verärgert weiter. Es wird zunehmend ruppiger und obendrein gewitterverdächtig. Also lassen wir Honda mithelfen und düsen mit allem was wir an Antrieb haben die Sandküste entlang. In der Dämmerung tauchen zuerst der See und dann die Mündung auf. Jubel keimt auf, immerhin haben wir zum zweiten Mal ins Schwarze getroffen, was angesichts einer 15 Jahre alten Seekarte – laut Fachhandel die aktuellste Version – keine Selbstver- Schwarzes Meer Istanbul Marmara Meer Volos Ägäisches Meer Über den Atlantik? Ganz sicher NICHT! 1
People 45 ständlichkeit ist. Als wir uns der Einfahrt auf 30 Meter nähern, sehen wir Pelikane im Wasser stehen und schlussfolgern daraus, dass es zu seicht und das Ganze irgendwie eine Verarsche ist. Fassungslos knallen wir in Richtung Dunkelheit weiter, von den im Kartenmaterial verzeichneten Leuchttürmen blinkt genau einer. Kann ja noch werden, aber darauf wollen wir nicht warten. Also werfen wir Anker, zuerst den einen und dann den zweiten, beide notgedrungen in Rumänien erstanden und beide keine Prachtexemplare. In Ermangelung einer Kette, das Original schlummert ebenfalls am Donaugrund und ein Ersatz ließ sich bisher nicht auftreiben, lassen wir 50 Meter Leine raus. Die Wellen sind gewaltig und werden in regelmäßigen Abständen brutal. Inzwischen pfeifen die Wanten. Um Mitternacht haut mir Andi auf die Schulter, mein 41. Lebensjahr beginnt auf dem Schwarzen Meer und im Ölzeug, großartig. Ohne ein Auge zugemacht zu haben, stellen wir im Morgengrauen erleichtert fest, dass sich die Elemente ein wenig beruhigen. Wir lichten die Anker und wandeln bei fünf Windstärken, abermals eingeschränkter Sicht und ziemlich übermüdet durch die belebte Schifffahrtsroute und beten, dass uns in dem ungemütlichen Grau in Grau wenigstens die anderen rechtzeitig wahrnehmen. Beim überaus komplizierten Teekochen tränke ich Andis trockene Matratze mit einer Früchtemischung und versaue das Hafenhandbuch mit Honig. Dafür entnehme ich den Seiten 64 und 65, dass es in Constanta die Port Tomis Marina gibt. Endlich wieder duschen. Obwohl sich die Seekarte nicht mit den Koordinaten aus dem Hafenhandbuch deckt und die Sicht auf 150 Meter eingeschränkt ist, machen wir wieder eine Punktlandung. Wir erreichen den geschützten Hafen nach 36 Stunden, haben so etwas wie ein geistiges Schleudertrauma und werden mit einem lauwarmen Wasserstrahl und einer hygienisch eher unappetitlichen Duschkabine belohnt. Dafür bekommen wir in der durchaus netten Stadt den ersten Muezzin zu Gehör, eine Ankerkette, ausreichend Sprit für Honda und aktuelle Wetterdaten. Es bleibt übel und diese Prognose trifft nicht auf Hawaii, sondern die Schwarzmeerküste zu. 1 bucklige welt. Das Schwarze Meer bleibt hügelig. 2 kaum vorhanden. Das Ende vom Sulina-Kanal. 3 Einsermenü. Wurstnudeln mit Sauerkraut und Zwiebeln. 4 überschaubar. Küche, Kartentisch und Aufenthaltsraum. 5 daily business. Mit Hand, Herz und Ehrfurcht. 2 3 4 5
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