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OCEAN7 2011-05

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Über eine abenteuerliche Reise mit seiner kleinen Shark 24 von Wien bis in die Ägäis berichtet Dominic Marsano. Und Schriftsteller und Segler Dr. Alfred Zellinger schreibt unter dem Titel "Approaching Venice", wie er auf eigenem Kiel zur Biennale di Venezia gesegelt ist.

44 Seit dem Morgengrauen

44 Seit dem Morgengrauen klebt uns Raumschiff Enterprise am Heck. Kapitän Kirk und sein intergalaktischer Schubverband, der praktisch die gesamte Flussbreite für sich in Anspruch nimmt, rückt uns zentimeterweise auf den Pelz. Doch die Frage, ob uns der Schrott-Gigant stilecht aus dem Weg schaufelt, oder die Flucht an den Uferrand in einer weiteren Grundberührung gipfelt, bleibt unbeantwortet. Wir biegen halb Hase, halb Schildkröte in einen Seitenarm ab und legen 156 Kilometer südlich von Budapest in Baja an. Die Kleinstadt am nördlichen Rand der Patschka hat den Charme von Arbesthal. Man kommt eher zufällig oder gar nicht vorbei. Uns lässt der böige Seitenwind anlanden und an einem der Holzstege festmachen. Außerdem müssen wir aufrüsten. Als wir Baja wieder den Rücken kehren, haben wir noch immer keinen Funk, aber dafür Gas und zusätzliche Treibstoffkanister. Vor uns liegen noch etwa 1.500 Flusskilometer, dann folgen das Schwarze Meer, der Bosporus, das Marmarameer, die Dardanellen und Teile der Ägäis. Unser Ziel, den dottergelben Untersatz, der nicht wirklich den Eindruck erweckt, so lange schwimmen zu wollen, auch tatsächlich nach Volos zu bekommen, nimmt Gestalt an. Zumindest wissen wir nach einer Woche, wo die undichten Stellen sind. 1 Licht und Schatten. Angefangen hat alles mit Kleinigkeiten. Eine halbe Sunde nachdem wir bei der Haltestelle Alltag rechts abbiegen und Wien am Horizont verschwindet, wird klar, dass der Funk nicht funkt. Wir wissen nicht wirklich, ob das Gerät jemals etwas Vernünftiges von sich gegeben hat und stellen vier Stunden später fest, dass auch der Benzinkocher keine Ambitionen zeigt. 1999 hatte er noch funktioniert – heute nicht mehr. Wir überlegen, ob der Funktionstest unserer Schmalspurausrüstung im Vorfeld nicht doch Sinn gemacht hätte und versenken beim ersten Abwasch unseren einzigen Topfdeckel. Dann laufen wir in der Hainburger Au auf Grund. Und genau in dieser Tonart geht es weiter. Ständig passiert irgendetwas – sei es im Strom, am Boot oder an Land. Die Extreme reichen sich nahtlos die Hände und jedes für sich hat seinen speziellen Reiz. Vor allem das Drumherum. Dem wirren Verkehrsaufkommen in Budapest folgt das vollkommene Nichts. Außer den roten und grünen Blechbojen am jeweiligen Fahrrinnenrand und einer bewaldeten gelbgrünen Uferlandschaft tut sich wenig, dafür sind die Ausnahmen umso prickelnder. Mal wird ein Pferd von einem Motorboot von der einen zur anderen Seite gezogen, dann schwimmt der halbe Wald an einem vorüber. Eingelullt vom monotonen Tuckern des Hondas, strömen wir mit einem Drittel Schildkrötengas und durchschnittlich 12 km/h in Richtung ungarischer Tiefebene. Die Intensität der intergalaktischen Attacken lässt nach, das was vorbeischiebt, ist aber nach wie Angst einflössend, oder sagen wir zumindest befremdend. Lang, schwer, massiv und zumeist mit Schrott, Kohle oder Kies beladen. Oder wie im aktuellen Fall mit einem Meer an Sattelschleppern, die wir wieder einmal an der ungünstigsten, weil schmalsten Stellen des Flusses zu spüren bekommen. Nach anfänglichen Panikattacken haben wir das Verkehrsaufkommen im Griff. Wir sind gelockert und finden uns in unserem neuen Alltag ziemlich gut zurecht. Den ersten Kaffee nehmen wir bei Sonnenaufgang und natürlich im Bett, dann folgt der Plan, dann legen wir ab. Wir bringen den Kaffee noch einmal zum Kochen, schauen, weichen aus, fotografieren, staunen, ziehen uns das Ölzeug an und aus, wechseln uns an der Pinne ab, machen Yoga und in den Kübel, waschen ab und winken. Hinein in den Hafen oder eine Bucht, ankern oder längsseits Geht die Donau in die Breite, plätschert die Idylle in Zeitlupe an einem vorüber.

People 45 2 gehen, kochen, essen, Stadtbummel oder die Pampas erforschen, drüber reden, lesen und Gute Nacht John Boy. Von Sonnenaufgang bis -untergang bummeln wir mit zehn Liter Verbrauch um die 100 Kilometer stromabwärts. Das launische Aprilwetter beschert uns nasskalte Tage und Nächte, wir haben an, was der Kleiderschrank zu bieten hat und gewöhnen uns an den nicht vorhandenen Komfort unserer Einzimmerwohnung. Dann kommen Mohács und Bezdan, wobei wir eigentlich nach Apatin wollen. Soll heißen raus aus Ungarn und ab nach Serbien. Also machen wir bei Stromkilometer 1447,1 zum Auschecken fest und latschen in einen schmucken, weil quasi neuen, Ziegelbau. Beim Eingang sagt uns eine Rothaarige um die Vierzig, dass die Grenzpolizei, der Hafenmaster und die Zollbehörde am Gang links und der Amtsarzt gleich gegenüber auf uns warten. Nach einem zögerlichen Klopfen treffen wir immer Menschen, die uns spüren lassen, wer am längeren Ast sitzt und uns mit einem Kopfschütteln zu verstehen geben, dass sie weder englisch noch 3 deutsch sprechen, wozu auch. Du redest mit Armen und Beinen, lächelst in einer Tour und kommst dir eher peinlich vor. Was anderes bleibt dir nicht übrig, es sei denn, die hast unendlich Zeit oder ebenso viel Geld. Nach zwei Stunden haben wir abgestempelte Pässe und einen Haufen offenbar wichtiger Zettel – wir verabschieden uns. In Bezdan, mehr oder weniger schräg vis-à-vis, betreten wir Serbien und werden unglaublich kompliziert zur Chefsache erklärt. Ein pensionsreifer Ultra-Nationalist nimmt uns die Pässe ab und wirft uns mit einer Handbewegung aus seiner Amtsstube. Eine halbe Stunde und 55 Euro Trinkgeld später haben wir weitere Stempel in unseren Pässen. Wir legen ab, haben Kroatien zu unserer Rechten und legen im serbischen Apatin wieder an. Da die Marina, die keine ist, noch geschlossen hat, kehren wir am nächsten Morgen ungeduscht in den Strom zurück. Dafür waren wir Pizza essen und haben außer dem Wirt keinen Menschen gesehen. 1 einzimmerwohnung. Unbequem, undicht, dafür Eigentum mietfrei mit Dachterrasse. 2 alles flieSSt. Wer es schafft, dem Fluss zu trotzen, wird in dessen Mitte verbannt. 3 blech statt schrott. Fahrende Autos sieht man an den Ufern selten, dafür dazwischen.

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