Aufrufe
vor 7 Jahren

OCEAN7 2010-01-02

  • Text
  • Regatta
  • Meer
  • Seascape
  • Yacht
  • Motorboot
  • Unterwasser
  • Charter
  • Schiffsbeleuchtung
  • Tauchen
  • Hebriden
  • Schottland
  • Naxos
  • Santorin
  • Kykladen
  • Neuguinea
  • Vanuatu
  • Segeln
Das ist Segelspaß pur: Testbericht von einem kleinen, sportlichen Segelboot aus Slowenien.

40 1 Ich sitze im

40 1 Ich sitze im Cockpit einer Bavaria 36, ducke mich, es kommt wieder Wasser übers Deck. Eingepackt in mein Offshore-Ölzeug, vermummt und mit zwei Lagen Funktionswäsche drunter, Gott sei Dank habe ich meine Bergsteigersocken eingepackt. Ja, das braucht es hier, am 57. Breitengrad Nord, in der Gegend von West-Schottland, zwischen Isle of Skye und dem Festland. Heute Vormittag haben wir über Navtex die Wetterwarnung für das Gebiet Hebriden empfangen: southwesterly gale force 8, increasing severe gale force 9 – also, es wird schwerer Sturm vorhergesagt. Wir sind auf dem Weg nach Rodel an der Südspitze von Harris, eine der Hauptinseln der Äußeren Hebriden. Skipper Heinz Ressl von Sea-Man-Ship Austria trifft die einzig richtige Entscheidung: Zurück in den geschützten Bereich des Inner Sound, neues Tagesziel: Loch Torridon. Für die 15 Seemeilen über Grund brauchen wir dann ganze acht Stunden und unzählige Kreuzschläge. Bei 7 bis 8 Beaufort kannst du das Großsegel nur mehr aus der Hand fahren, die Böen bis 9 Beaufort legen dir das Boot auf die Backe, dass du mit der Baumnock Wasser schaufelst. Aber wir sind schon mitten drin in der Geschichte, ich darf von vorne beginnen: Ich segle nun seit Jahren hauptsächlich in der Adria, in der Ägäis, habe Abstecher nach Elba und Korsika, in die Nord- und Ostsee hinter mir. Und wie bei jeder Sportart sucht man immer wieder nach Herausforderungen, man braucht halt manchmal den Kick. So habe ich es beim Bergsteigen, beim Klettern, beim Schifahren (jetzt beim Snowboarden) erlebt und so geht es mir auch beim Segeln. Es ist daher nur logisch, dass ich mich bei Heinz Ressl gemeldet und sein Angebot, ein Gezeitentraining in Schottland zu absolvieren, gerne angenommen habe. In Armadale auf der Isle of Skye wartet die Bavaria 36 auf uns. Die Yacht ist reviergerecht hergerichtet und optimiert. Standheizung ist obligat, die Salonkojen sind mit Leesegel ausgestattet, Strecktaue sind montiert, im Cockpit findest du keinen Tisch, dafür ist eine Sturmfock an Bord und das Großsegel ist mittels Bindereff zu verkleinern. Die Boote liegen in Armadale an Bojen, wir und unsere Ausrüstung werden mit einem Boot aufs Schiff gebracht. Wasser wird über einen mehrere hundert Meter langen Schwimmschlauch gebunkert. Schaut alles sehr eigenartig aus, wenn man die Marinaanlagen in Kroatien oder Türkei gewohnt ist. Es funktioniert aber alles perfekt, hinsichtlich Service, Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft können sich so manche Mittelmeer- Anbieter eine Scheibe abschneiden. Die Crew Von links: Selim Erol, Stefan Mayer, Heinz Ressl (Skipper) von sea-man-ship Austria, Robert Schwab, Conny Schifter, Jürgen Hofstätter. Nicht am Bild: der Autor (einer muss ja fotografieren).

Revier 41 Jedes Mal am Abend bzw. vor dem Auslaufen gibt es ein Ritual: Die Seekarte wird auf dem Tisch ausgebreitet, Strömungsatlas, der „Reed“, Papier und Kuli dazu und los geht es. Wo wollen wir morgen/heute hin? Gut, wie tief ist es dort laut Seekarte? Haben wir Spring-, Mitt- oder Nippzeit? Haben wir Lowwater/Highwater? Mit welchen Strömungen müssen wir rechnen? Es geht uns in Fleisch und Blut über: Bezugsorte (Ullapool/Hebrides oder Dover), Anschlussorte, interpolieren, Zeitfenster berechnen. Ein kleines Beispiel gefällig? Die Durchfahrt von Kyle Rhea ist ca. zwei Kabellängen breit und trennt die Isle of Skye vom Festland. Der Strom kippt zweimal am Tag und setzt bis zu 9 Knoten (!) entweder nach Süd oder nach Nord. Wenn du also zur falschen Zeit in der Einfahrt stehst, brauchst du gar nicht erst antreten. 8,5 Knoten Strom gegenan schafft die Bavaria 36 nicht einmal theoretisch. Da gurgelt und brodelt das Wasser, da glaubst du, du bist mitten auf der Donau im Strudengau! Der Tidenhub beträgt in diesem Revier zu Springzeiten bis zu sechs Meter, es heißt also schon aufpassen, bei Durchfahrten oder Ansteuerungen von Liegeplätzen. An Missweisung sind 6° West zu berücksichtigen, die sind ganz wichtig, speziell beim Vorhalten im Strom. Dementsprechend spielt Navigation eine wichtige Rolle: Bei Schönwetter hat man an der bizarren Westküste Schottlands immer Landsicht. Nachdem aber das Wetter auch sehr schottisch ist (wir waren von Mitte bis Ende September unterwegs), muss der Navigator topp sein. Er darf sich nicht auf das GPS verlassen – denn bei den Wetterbedingungen kann dich ein Stromausfall schneller erwischen als du denkst. Schottisches Wetter bedeutet auch, dass wir die ganze Zeit nicht aus den Stiefeln und aus dem Ölzeug herausgekommen sind. Ich darf das so beschreiben: Es regnet, teilweise schüttet es eine Stunde lang, die Wolken hängen dunkel über der Kimm, die Sicht vielleicht eine Kabellänge. Plötzlich wird es heller, 2 3 4 1 filmkulisse. Castle Stalker – hier drehten Monty Pyton „Die Ritter der Kokosnuss“. 2 alarm. Der Wetterbericht per Navtex meldet Sturm in Stärke 8, zunehmend auf 9. 3 schubkraft. 11,9 Knoten Fahrt über Grund, das geht bei einer Bavaria 36 nur mit Hilfe von starkem Strom. 4 Ruhe. Einer der wenigen Schwimmstege im Revier – und die THISTLE als einziges Segelschiff. 5 zeitraffer. Rasender Wechsel der Stimmungen. In Schottland können alle vier Jahreszeiten an einem einzigen Tag stattfinden. 5 gottfried „Titzl“ rieser Der Autor dieser Reportage ist Generalsekretär des Yacht Club Austria YCA und einer der berechtigten österreichischen Ausbildner zum Yachtmaster der Royal Yachting Association.

Ocean7 Magazin

Blog

© 2017 by Ocean 7, Satz- und Druck-Team GmbH - Impressum und Privacy