PhilippinenDrama invier AktenEin unversichertes Schiff kurz nach dem Stapellauf zu verlieren, ist zweifellos hart. War höhereGewalt im Spiel, kann man das gerade noch verkraften. Hätte man das Unglück mit Umsichtverhindern können, wird es schwierig. Gibt es aber auf den ersten Blick keinen triftigen Grund fürdas Desaster, kommt das buchstäblich einem Blitzschlag aus heiterem Himmel gleich.Text und Fotos WOLFGANG HAUSNERSo erging es Michael aus Niederösterreich.Er baute aufden Philippinen den KatTambobo Boat, im Südenvon Negros. Dieser Naturhafen, TamboboBay genannt, wurde schon immervon Fischerbooten frequentiert.Im Lauf der Jahre kamen mehr undmehr Yachties dazu, die sich denmalerischen Platz teilten – mancheblieben so lange, dass sie ihren Ankerkaum wieder hochbrachten.Auch der Wiener Karl Kandera warhier hängengeblieben, erstand einGrundstück, rodete das Areal, bauteHaus, Werkstatt und Garage, pflanzteObstbäume und Hibiskus-Stauden.Michael mietete sich bei Karl ein, ließzuerst nach Feng-Shui-Richtlinienein Stelzenhaus aus dem Bodenwachsen und begann dann, sich nachHolz für den Bootsbau umzusehen.Fündig wurde er im Urwaldder kleinen Insel Camiguin, rundhundert Seemeilen weiter östlich, ander Küste von Mindanao. Ich möchtedie Umständlichkeit des Kaufs, desTransports zum Sägewerk und derVerschiffung der gefällten Bäumeüberspringen, aber eine Episode docherwähnen: Nach endlosen Wochenvoller Mühen tuckerte Michael aufdem Inselfrachter Dumaguete entgegen.Endlich geschafft, was für eineMICHAEL ist vielgereisterGrafiker aus Niederösterreich,der letztlichauf den Philippinensesshaft wurde.Erleichterung. Der Seelenverkäuferlegte drei Stunden vor Morgengrauenim Hafen der Hauptstadt an. Mitder Löschung der Fracht wurde begonnen,aber die meisten Passagiereschnarchten auf ihren Pritschen bisSonnenaufgang weiter, um dannvon Bord zu gehen. So auch Michael.Als er aufwachte, reckte er sich,warf einen Blick über das Hafengeländeund erstarrte. Sein Holz, erkannte inzwischen jeden Balken,war bereits zur Gänze auf einenLKW verladen. Wie ein geölter Blitzschoss Michael trotz seines generösenLeibesumfanges über das Wirrwarrvon Stiegen hinunter, sprangauf den bereits fahrenden Lastwagenauf und brüllte den Fahrer erbostan: „Was machst du mit meinemHolz?“.Ich lernte Michael kennen, als ichauf dem Weg nach Borneo in Tambobovorbeikam. Später war ich jedesJahr für eine Zeitlang dort, umTaboo III zu überholen. Karl, mitdem ich befreundet war, hatte mirangeboten, meinen Kat direkt vorseinem Grundstück auf den Strandzu setzen. Ich konnte seinen StromundWasseranschluss nutzen undmein Tischler konnte mühelos übereine Bambusleiter an Bord kommen.1. SCHWIMMENDER PANZERDas ständige Klopfen, Sägen undHämmern von nebenan ließ michMichaels Bootsschuppen nie vergessen.Oft fand ich ihn lesend auf derVeranda seines Hauses vor, währendseine Arbeiter wie ferngesteuert amWerken waren. Irgendwie erinnerteer mich an einen White Hunter ausdem Afrika des vorletzten Jahrhunderts,der sich von Einheimischendie Flinte reichen lässt, um in denDschungel zu ballern …So verging mehr Zeit als notwendig,dennoch nahm der Kat über dieJahre Gestalt an. Und zwar eine ungewöhnlicheGestalt, denn Michaelist Grafiker von Beruf, ein Künstler,der seine Ideen zu verwirklichensuchte. Er hatte die Ansichtspläneeines 10-m-Wharram-Kats als Vorlagegenommen, diese aufgeblasenund fast bis zur Unkenntlichkeitmodifiziert. So wurde aus dem ursprünglichenV-Spant der Rümpfeein wasserglasförmiges Profil, wassenkrechte Niedergänge zur Folgehatte, an denen man sich am liebstenabgeseilt hätte.Oft führten wir auf seiner gemütlichenVeranda anregende Gespräche.Michael war ja viel gereist, zumBeispiel mit seiner Frau und seinendrei kleinen Töchtern auf eigenen34 2/2025
FOTO: ILONAEVANJANE/SHUTTERSTOCK.COMAus dem Urwald der philippinischenInsel Camiguin stammt das Holz fürMichaels Traumschiff.Michaels nachFeng-Shui-Richtlinienge bautesStelzenhaus in derTambobo Bay.Rädern bis nach Tibet. Zwischendurchversuchte ich ihm klarzumachen,dass ein Kat leicht sein sollte,seiner entwickelte sich aber mehrund mehr zum schwimmenden Panzer.Die Ausführung war wahnsinnigsolide, doppelte Lagen von Sperrholzverstärkten das Unterwasserschiffund wo immer möglich, wurdeschweres Vollholz verwendet.Die warmen Töne und Einlegearbeitensahen wunderschön aus, verpasstendem Kat aber gewichtsmäßigeinen Blattschuss. Obendrein bauteer zwischen den Rümpfen eine großeund eine kleinere Kabine. Beeindruckthat mich sein Versteck fürWertsachen, in dem auch eine SchrotflintePlatz fand. Wie in einer altägyptischenGrabkammer ließ es sich nurmittels eines geheimen Hebels öffnen.Michael konnte wunderschöneZeichnungen zu Papier bringen, hatteaber trotz seiner mangelnden Erfahrungauf seglerischem Gebiet keineHemmungen, gutgemeinte Ratschlägein den Wind zu schlagen, egal, obdie jetzt von mir oder von Karl kamen,der ja auch auf viele Tausendevon gesegelten Meilen zurückblickenkonnte.Ein wunder Punkt waren dieverleimten Träger, die die beidenRümpfe verbanden. Michael integriertesie in die Deckkabinen, sodassdas Ganze eine starre Einheit bildete– ganz konträr zu Wharrams ursprünglichemEntwurf, der flexibleVerbindungen vorsieht.2. JUNGFERNFAHRTNach sieben Jahren Arbeit war es soweit:Tambobo Boat schwamm. Zwaretwas hecklastig, aber dieses Mankowar mit einem neu gemalten Wasserpassrasch korrigiert. Achtern lauertenzwei Dieselmaschinen darauf,den Kat mit vereinten 130 PS überkomplizierte Kettenantriebe übersWasser zu katapultieren.Nach einigen kurzen Probeschlägensegelte Michael mit Crew nachCebu, nahm die Kurve an der Nordspitzeder Insel nach links und peilteBoracay an. Taboo III ankerte dortvor dem kilometerlangen weißenSandstrand, über dem die Palmen imMonsun raschelten. Fast zu kitschig,aber damit muss man in den Tropenleben. Zu einem Treffen mit Michaelkam es nicht, denn auf halber Streckegab sein GPS-Gerät den Geist auf,worauf er sich wieder nach Tambobozurückhantelte.Felix, ein gemeinsamer deutscherFreund aus Manila, der auch schonöfter auf Taboo III mitgesegelt war,schickte mir Monate später eine SMS:Michael sei gerade unterwegs überdie Sulusee nach Palawan, er wolleihn in Puerto Princesa treffen, umeinige Tage mitzusegeln. Ich antwortete:„Hoffe, es klappt alles, dennTambobo Boat muss sich ja erst bewähren.“Eine Bemerkung von prophetischemCharakter, wie sich späterzeigen sollte. Aber zunächst verliefalles planmäßig, an Bord befand sichneben Michael und seiner Tochter Johannaein englisches Pärchen als zahlendeGäste, sowie eben Freund Felix,den wir im Folgenden zu Wort kommenlassen …3. SEENOTZu Mittag holten wir die Anker ein,starteten die Motoren und schippertendurch die Bucht von PuertoPrincesa Richtung Ausfahrt. Beifrischem Wind aus Ost und relativhohen Wellen setzten wir Vorsegelund Groß, es ging flott voran. Ich2/2025 35
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