Skipper’s Diaries Die Lehre Dominica. Gospel-Gesang über der weiten Bucht, Arawaks im Dunst der Berge. Und ein Mann mit zahnlosem Lächeln, der nur reden will, auf dem Pier. Langsam und majestätisch fließt die schwarze Glaubensgemeinde die Uferstraße entlang und singt. So süß wie Zuckerrohrmehlasse, so innig wie Beichte. Im Hintergrund die unbekannte, tiefgrüne Kulisse mit den Bergen im Märchendunst. So wird sich wohl das Paradies anfühlen, wenn es eins gibt, denke ich mit dem ersten Schluck Kaffee. Mit den Tagen tausche ich unbemerkt dieses himmlische Gefühl gegen die Prosa des Alltags: starker Passat, Seitenschwell, der unser Schiffchen furchtbar tanzen lässt. Dazu wie immer Arbeit – löten, Kabel ziehen, fluchen. Wenn es an Bord nicht mehr auszuhalten ist, gehen wir an Land. Die Gemeinde lebt hier in Hühnerhäusern über Krabbenlöchern und offener Kanalisation. Wer nicht schon morgens zugerauscht ist, muss strengen Gestank und traurige Bilder ertragen. Wir flüchten in die Berge. Dort der unverfälschte Dschungel, die freundlichen Landmenschen mit ihren langen Macheten, die kühlen Wasserfälle. Die Geldseuche hat die Insel von unten angebissen, vom Ufer her, wir hoffen nur, dass die Berge zu hoch für ihren niederen Hunger sind. Die Arawaks, die urigsten Einwohner der Karibik, schnitzen hier oben immer noch ihre Einbäume. Geht also. Dennoch wächst in mir langsam, aber stetig der Groll über die Zerstörung von so viel Schönheit. Meine Schönheit läuft Hand in Hand mit mir und die Einheimischen werden von ihrem Strahlen verrückt. An der Hauptstraße nimmt ein Büsschen die Fahrt weg und der Fahrer schreit über die Köpfe der sieben Passagiere: „Wie ist es möglich?! Wie kann so eine Frau mit so einem wie dir gehen?!“ „Manchmal geschehen Wunder“, lache ich zurück. PRÜFUNG NICHT BESTANDEN Spätnachmittags an einem schaukeligen, schwitzigen Tag. Wir sind jeder auf seiner Art entnervt, nur Inga verträgt es wie immer mit Lächeln und geht einkaufen. Ich kann meinen eigenen Geruch und das stechende Jucken der Glasfasern in meiner Haut nicht ertragen. Als der Mann auf dem Pier, an dem ich auf Inga warte, zielstrebig auf mich zusetzt, lasse ich den Festmacher ausrauschen und das Dingi wegtreiben. Mir ist nicht nach Menschen. Nach ein paar Schritten gibt der Mann auf. Vier Minuten vergehen in Frieden, aber der Wind ist stark und ich habe keine Lust, die ganze Bucht durchzumotoren. Kaum bin ich wieder fest, setzt er seine Attacke fort. Etwas humpelnd, beladen mit schwerfälligen Bastel- Souvenirs aus Treibholz und Kokosnussabfall, nähert er sich mit zahnlosem Lächeln: „Ich möchte mit Ihnen reden, Sir.“ Ich bin wohl taubstumm geboren worden, so reagiere ich zumindest. Er ist hartnäckig: „Sir, ich würde gern mit Ihnen reden.“ Leider kenne ich dieses „Reden-Wollen“ aus dutzenden Leben zuvor, also höre ich wieder nichts, obwohl kein anderer im ganzen Universum angesprochen wurde. „Sir, entschuldigen Sie, Sir …?!“ „Was für ein Sir bin ich, Mann. Siehst du denn nicht, dass ich nicht reden will, dass ich schweißnass, FOTO: SY MAOLIS VASSIL SVECHTAROV Bühnenbildner, Puppenspieler, Musiker, Autor und Weltumsegler. kolumne@ocean7.at Bücher, Musik, Projekte è www.sturetz.eu dreckig und müde bin? Glaubst du, dass ich Geld für deinen Kram habe? Also, warum lässt du mich nicht in Ruhe?!“ Und schon geht es mir noch dreckiger. „Warum bist du so wütend auf mich?“, fragt er mich mit der Ruhe und Selbstverständlichkeit des Vollmondes. „Auf mich bin ich wütend, auf mich“ – versuche ich erbärmlich zu weichen. „Ist klar Mann, ist klar, ich bin kein schlechter Mensch, ich tue nichts Böses. Versuche nur etwas zu verkaufen, wenn du nichts kaufen willst, ist das okay, alles klar, Mann …“ Er schüttelt verachtend den Kopf und humpelt weg. Stumm stehe ich da und wünsche mir, dass ein Spalt in diesem Paradies mich auf der Stelle in andere, unbeliebte Gefilde befördern würde. Ich habe die Prüfung nicht bestanden. Ganz und gar nicht! Meine Arroganz wurmt sich im Dingi wie begossen mit Essig. „Verstehst du, Inga, ich bin in seinem Land! Keiner hat mich hierher gebeten. Ich habe keine Zeit und Lust auf Sie? Warum sollten Sie denn welche auf mich haben? Wer bin ich? Noch so ein weißer „Erwartender“? Wer kann was dafür, dass ich mein nichts bedeutendes ich-möchte-nicht-gestört-sein europäisches Getue, meine Verfremdung, noch nicht abgelegt habe?“ Inga fängt mich auf. Wir suchen ihn immer wieder in den nächsten Tagen. Ich will ihm nur sagen: „Ich habe verstanden! Ich habe gelernt.“ Wir haben ihn nicht wieder getroffen. 90 2/2023
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