Mikronesien/Lamotrek, Ifalik und Yap Männer auf Brotfruchtbaum-Booten, Frauen in handgewebten Hibiskus- Röcken, Wein von der Palme: Yap zeigt sich als der einzige Bundesstaat Mikronesiens, in dem die traditionelle Lebensweise nicht nur Programm, sondern gelegentlich auch Vorschrift ist. Text und Fotos Wolfgang Hausner Stille Tage in Yap Über Inseln, die Pulat und Pulawat hießen, segelten wir weiter nach Westen, bis eines Tages die Palmenwipfel von Lamotrek als gezackter Strich am Horizont auftauchten. Während wir knapp am Außenriff des Atolls entlangsegelten, biss ein fetter Thun an der Schleppangel an. Auf diese Art zu fischen war meist erfolgreich und Mikronesien war in dieser Hinsicht besonders ergiebig. Während ich den Fisch einholte, segelte Gerti in die Passage, die wie ein blauer Finger den Weg in die Lagune wies. Truk war teilweise in den Sog der westlichen Welt geraten, nahm das Schlechteste davon an und ging unter, was am deutlichsten auf der Hauptinsel Moen zu sehen war. Dort erstickte das alte Brauchtum förmlich in Korruption, Alkohol, Drogen und Faulheit. Lamotrek hingegen – keine 400 Seemeilen weiter im Westen – gehörte zum Staat Yap und Tradition hatte noch Bedeutung. Die Männer trugen einen kurzen Lendenschurz, Thu genannt, und Frauen hüllten ihren Körper vom Nabel bis zu den Knien in einen Lava-Lava, den sie selbst auf dem Webstuhl herstellten. Noch war niemand auf die Idee gekommen die Brüste zu bedecken, andererseits war es unziemlich, die Oberschenkel zu entblößen. Die Einheimischen waren eher scheu, aber es dauerte nicht lange, bis wir mit den Leuten, die sich auf Englisch verständigen konnten, ins Gespräch kamen. Darunter war Joe Yetigmal, die männliche Krankenschwester der Insel, mit dem wir bald befreundet waren. Oft saßen wir beisammen und er erzählte uns über die Eigenheiten des abgeschiedenen Insellebens, das nur durch Besucher wie uns oder durch das Versorgungsschiff unterbrochen wurde. Es war noch nicht so lange her, dass Joe selbst von einer unfreiwilligen Reise zurückgekommen war. Mit einem Freund war er in einem offenen Boot nach Elato, einer Insel nur sechs Meilen weiter westlich, gefahren. Kurz nachdem sie das Atoll verlassen hatten, begann der Außenborder zu husten und stoppte. Joe konnte ihn wieder in Gang setzen und die beiden Männer kehrten zurück. In der Lagune hatten sie eine weitere Panne, die sie allerdings nicht mehr beheben 30 2/2018
konnten. Die Strömung riss sie durch die Passage zurück aufs offene Meer und in der Nacht trieben sie an Elato vorbei. Eine Woche später wurden die beiden von einem aus tralischen Schiff gesichtet, aber erst nach längerem Verhör und gründlicher Inspektion ihres Bootes an Bord genommen. Die Vorsicht war begründet: In philippinischen Gewässern waren sie einem anscheinend sinkenden Boot zu Hilfe gekommen und blickten bald in die Mündungen versteckter Schnellfeuergewehre. „Can you take us back to Lamo - trek?“, fragte Joe den Kapitän, der das winzige Atoll erst auf der Seekarte suchen musste. Das war nicht möglich, aber er nahm sie mit nach Guam, was einen geringeren Umweg bedeutete. Dort wurden die Foto: Shutterstock Männer mit ihrem Boot wieder ins Wasser gelassen und von dem wartenden Küstenwachschiff in den Hafen geschleppt. Joe tat seinen Schiffbruch als kleine Episode ab – andere Insulaner wurden unter ähnlichen Umständen erst viel später gerettet und alle hatten bis jetzt überlebt. Kurz nach unserer Ankunft hatten wir die beiden Chiefs Taro und Urmai an Bord eingeladen und servierten den üblichen Saft, Kekse und Zigaretten. Normalerweise werden den besuchenden Schiffen fünf Dollar pro Tag abgeknöpft, aber nachdem unsere Papiere in Ordnung waren, sah man davon ab. Ein paar Tage später jedoch kam ein junger Mann an und behauptete, das wäre ein Missverständnis gewesen, wir müssten jetzt doch die tägliche Ankergebühr zahlen. Wir saßen gerade mit Joe vor seinem Haus zusammen und er meinte, wir sollten das nicht beachten, die Chiefs hatten anders entschieden und das sei das Wesentliche. Trotzdem begann eine Gruppe von jungen Männern, deshalb Unfrieden im Dorf zu stiften. Für uns war das eher ein interner Disput; hätten die Chiefs die fünf Dollar gefordert, hätten wir selbstverständlich sofort gezahlt – aber dem war eben nicht so. Der Großteil der Bevölkerung war uns sehr freundlich gesinnt, unsere Tochter Vaitea war wie immer die Attraktion und wurde dauernd mit Früchten beschenkt. Wolfgang Hausner ist Weltumsegler, Schriftsteller und ocean7-Autor. Derzeit weilt er mit seiner Taboo III, einem 18-Meter-Katamaran, auf den Philippinen im Südchinesischen Meer. wolfgang-hausner.com Links: Jede Proa (7–8 Meter) wird mit einfachsten Werkzeugen aus dem Holz alter Brotfruchtbäume oder angeschwemmter Baumstämme gehauen. Rechts: Fischer auf einer Proa in voller Fahrt. Wir besuchten Bianca, die Tochter des Chiefs Taro und sahen zu, wie sie im großen Kanu-Haus an ihrem Webstuhl arbeitete. Joes Frau Catarina schenkte Gerti einen selbstgewebten Lava-Lava und lud uns zum Essen ein. Andererseits freute sich Joe über den Edelstahlspeer und Gummis für seine Harpune, die ich ihm brachte. Guano und deutsche Gene Eines späten Nachmittags kam ein Motorboot von Elato an und ich wurde an Land gebeten. Peter Ubemal, der ehemalige Senator für Lamotrek und Elato, hatte Radiokontakt mit den Behörden in Ulithi und ich wurde aufgefordert, sofort dorthin zu segeln. Nach einem einstündigen Palaver einigten wir uns auf eine Abfahrt am nächsten Morgen und Stopps auf der Route. Das Außergewöhnliche bei diesem Treffen war auch weniger das Gespräch als das Aussehen Peter Ubemals: rötliches Gesicht, blaue Augen und helle Haare. Auf dem Wiener Stephansplatz würde ihm keiner einen zweiten Blick schenken, sofern er nicht gerade nur den Lendenschurz tragen würde. Seine Gene hatte er aus der deutschen Kolonialzeit Anfang des Jahrhunderts mitbekommen. Das Beiboot voller Früchte und behangen mit Tiara-Blütenkränzen nahmen wir Abschied von unseren Freunden und segelten über Nacht weiter zum Olimaro-Atoll. Es war unbewohnt und nach dem Trubel 2/2018 31
Fotos: Shutterstock Yacht Club Aust
WELTWEIT EINZIGARTIG: MONOBLOCK COM
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