Seegraswiesen und Muschelbänke - wo sind sie geblieben? Die Nordadria ist das Hausmeer der Österreicher. Meine eigenen Erfahrungen sind wahrscheinlich stellvertretend für viele Landsleute, die das Meer im Lauf ihres Lebens entdeckten und lieben lernten. Italiens Sandstrände und die Felsküsten Kroatiens standen am Beginn. Als Kind lernte man dort schnorcheln und erkundete die aufregende Unterwasserlandschaft mit ihren geheimnisvollen Bewohnern. Jeder Rote Seestern wurde als sensationeller Fund gefeiert, mit letztem Einsatz hochgetaucht und leider manchmal auch getrocknet. Das stinkende Exponat verlor rasch die Farbe und führte zur Erkenntnis, dass man die Tiere in ihrem Lebensraum belassen muss. Text REINHARD KIKINGER FOTOS: SHUTTERSTOCK (3) 36 1/2022
Posidonia gedeiht am besten in sauberem, lichtdurchflutetem Wasser und kommt auf Sedimentböden von 1 bis etwa 35 Meter, in besonders klarem Wasser sogar bis 50 Meter Tiefe vor. Der braune Teil ist das Rhizom, eine meist waagrechte Sprossachse, die mit Wurzeln im Sediment verankert ist. Aus den darüber liegenden Blattscheiden werden die grünen Blätter wie ein Förderband hervorgeschoben. Das Seegras Posidonia oceanica, auch Neptunsgras genannt, vereint in seinen Namen die Meeresgötter der griechischen und römischen Mythologie. Leider nützt ihm diese Verbindung zu höheren Mächten nichts, die Bestände gehen in der Nordadria seit Jahren zurück. Die dalmatinische Felsküste wurde touristisch erschlossen, Griechenland und die Türkei waren die nächsten Ziele, und schließlich kamen sogar exotische Destinationen in tropischen Meeren in Reichweite. Mit der Artenfülle von Korallenriffen, Mangrovenwäldern und indopazifischen Inseln konnte die Nordadria nicht mithalten. Doch in Erinnerung blieben Seegras wiesen, Algenwälder, interessante Fischarten und eine reiche Fauna der Felsküsten. Bei wiederholten Besuchen der Nordadria verfestigte sich jedoch der Eindruck, dass hier die Unterwasserwelt immer mehr verarmt. Subjektive Täuschung? Es besteht immer die Gefahr, dass in der Erinnerung alte Erfahrungen schöner gespeichert sind, als sie tatsächlich waren. Persönlich ist es schwierig zu beurteilen, ob die Unterwasserwelt, die man vor Jahrzehnten in der Nordadria vorfand, wirklich gesünder und artenreicher war, als sie es heute ist. Objektive Antworten auf diese Fragen können nur wissenschaftliche Untersuchungen geben. Die Ergebnisse eines aktuellen Forschungsprojektes wurden kürzlich von einem Team der Universität Wien präsentiert. Die Kernaussage der Studie bestätigt die persönliche Beobachtung, dass die Nordadria komplette Ökosysteme verliert. MEERESBÖDEN IN DER NORDADRIA Die Studie untersuchte an acht Stationen nordadriatische Meeresböden in Kroatien, Slowenien und Italien, um herauszufinden, ob sich die Lebensgemeinschaften auf diesen Sand- und Schlammböden in den 1/2022 37
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